Arbeitnehmerhaftung – Wann haftet der Arbeitnehmer, wenn ein Sachschaden im Betrieb entsteht?
Hat der Arbeitnehmer auf der Arbeit einen Sachschaden verursacht, kann er sich Schadenersatzforderungen seitens des Arbeitgebers ausgesetzt sehen.
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Haftungsmaßstäbe und Rechtsfolgen von Sachschäden, die Arbeitnehmer im Betrieb verursachen.
1. Sachschaden im Betrieb – grundsätzliche Folgen
Hat ein Arbeitnehmer im Betrieb einen Schaden verursacht, bemisst sich die Arbeitnehmerhaftung zunächst nach der Art des Schadens sowie dem Grad, nachdem dem Arbeitnehmer die Verursachung dieses Schadens anzulasten ist.
Hierbei ist einerseits zu unterscheiden zwischen Personen- und Sachschäden, andererseits zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Verursachung.
Ein Personenschaden liegt vor, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitsausübung einen Mitarbeiter oder eine dritte Person verletzt.
Ein Sachschaden liegt vor, wenn ein Gegenstand während der Arbeit beschädigt wird.
Unabhängig von der Art des Schadens können sich folgende Konsequenzen für den Arbeitnehmer ergeben:
- Abmahnung durch den Arbeitgeber
- Kündigung durch den Arbeitgeber
- vertragliche Haftungsansprüche des Arbeitgebers auf Schadensersatz
- deliktische Haftungsansprüche Dritter auf Schadensersatz
In diesem Beitrag soll es in erster Linie um die vertragliche Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, als auch um die deliktische Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten, auf Schadensersatz gehen.
2. Die vertragliche Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf Schadensersatz
Grundlage für die Haftung des Arbeitnehmers auf Schadenersatz ist § 280 Abs. 1 BGB.
Hiernach gilt:
„Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“
Für die Frage, ob eine vertragliche Arbeitnehmerhaftung vorliegt, sind daher zunächst die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB zu prüfen.
a. Vorliegen einer Pflichtverletzung
In den weitaus meisten Fällen ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung anzunehmen, da der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag in der Regel sehr weit gefasste Haupt- und Nebenpflichten gegenüber dem Arbeitgeber hat.
Nahezu jeder schadensursächliche Fehler wird in der Praxis daher als eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu sehen. Selbst besondere Umstände wie beispielsweise eine plötzliche Arbeitsüberlastung oder eine extreme Übermüdung des Arbeitnehmers ändern an der Bewertung des Arbeitnehmerverhaltens als Pflichtverletzung grundsätzlich erstmal nichts.
b. Haftungsmaßstab
Für die Bewertung des Haftungsmaßstabs gilt § 276 BGB.
Nach § 276 Abs. 1 BGB haftet der der schadenverursachende Arbeitnehmer als Schuldner grundsätzlich für Vorsatz und Fahrlässigkeit.
aa. Fahrlässigkeit
Gemäß § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Für die Praxis bedeutet dies, dass bereits jede kleinste Abweichung von der im jeweiligen Verkehr erforderlichen Sorgfalt ausreicht, um eine Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag zu begründen.
bb. Vorsatz
Der Begriff des Vorsatzes ist im BGB nicht definiert. In der praktischen Bewertung setzt Vorsatz grundsätzlich das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit voraus.
Eine rein leichtfertige Unachtsamkeit reicht hierfür mithin nicht aus.
Wichtig!
Der Arbeitgeber trägt für das Verschulden des Angestellten die Beweislast (§ 619a BGB).
c. Haftungsumfang
Vor dem Hintergrund, dass – insbesondere in Großunternehmen – Schäden in einem Umfang entstehen können, die in absolutem Missverhältnis zum Entgelt der Arbeitnehmer stehen, wurden im Bereich des Arbeitsrechts Haftungsregeln aufgestellt, die den Arbeitnehmer in seiner Haftung für Sachschäden privilegieren.
aa. Leichteste Fahrlässigkeit
Verursacht ein Arbeitnehmer durch leichteste Fahrlässigkeit einen Schaden, haftet er gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich gar nicht, da ihm von vornherein nur ein sehr geringes Maß an Verschulden vorgeworfen werden kann.
Leichteste Fahrlässigkeit ist beispielsweise bei extremer Überforderung des Arbeitnehmers anzunehmen. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Anweisungen in eine Situation gebracht hat, der er nach seiner bisherigen Arbeitserfahrung von vornherein nicht gewachsen war.
In der Praxis kommen Fälle leichtester Fahrlässigkeit selten vor.
bb. Mittlere Fahrlässigkeit
Verursacht ein Arbeitnehmer durch mittlere Fahrlässigkeit einen Schaden,sind grundsätzlich die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Auf Grundlage dieser Berücksichtigung ist dann eine Haftungsquote zu ermitteln, nach der sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber jeweils anteilmäßig haften.
Diese Form der Fahrlässigkeit wird in der Regel dann angenommen, wenn es keine Anhaltspunkte für „leichteste“ oder für „grobe“ Fahrlässigkeit gibt.
Die mittlere Fahrlässigkeit stellt damit das typische „Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ dar.
In der Praxis führt die umfassende Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles regelmäßig zu einer weitestgehenden Entlastung des Arbeitnehmers.
So kann dies nach geltender Rechtsprechung sogar soweit führen, dass der Arbeitnehmer auch bei mittlerer Fahrlässigkeit zu 100% von seiner Schadensersatzhaftung freigesprochen werden kann.
Beispiele aus der Praxis, die für einen Arbeitnehmer haftungsmindernd wirken können, sind:
- der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses (wie sorgfältig hat der Arbeitnehmer bisher gearbeitet? Kam ein solches Verhalten bereits häufiger vor?)
- die Höhe des Schadens
- die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Schaden durch eine Versicherung vorzubeugen
- die objektive Gefährlichkeit bzw. Gefahrgeneigtheit der Arbeit
- die Vergütung des Arbeitnehmers (die eine Risikoprämie enthalten kann)
- die Stellung des Arbeitnehmers im Betriev
cc. Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz
Verursacht ein Arbeitnehmer durch grobe Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz einen Schaden,haftet er grundsätzlich allein. Er hat in diesen Fällen für den gesamten Schaden aufzukommen.
Von diesem Grundsatz kann jedoch unter Umständen abgewichen werden, etwa, wenn der Arbeitgeber es versäumt hat, entsprechende schadenvorbeugende Maßnahmen zu treffen.
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