Einleitung: Warum der Abwicklungsvertrag so wichtig ist
Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, stellt sich oft die Frage, wie die Beendigung rechtlich und wirtschaftlich ausgestaltet wird. Ein Abwicklungsvertrag kann hier eine sinnvolle Lösung sein – etwa nach einer Kündigung, um offene Ansprüche und Modalitäten zu regeln. Viele Arbeitnehmer unterschreiben solche Verträge vorschnell, ohne sich der weitreichenden rechtlichen Folgen bewusst zu sein. Auch für Arbeitgeber birgt die Formulierung Risiken, etwa in Bezug auf spätere Kündigungsschutzklagen oder Sozialversicherungsfragen.
1. Was ist ein Abwicklungsvertrag?
Ein Abwicklungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach einer bereits ausgesprochenen Kündigung geschlossen wird. Er regelt die Modalitäten der Beendigung – also wie das Arbeitsverhältnis abgewickelt wird.
Im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag, der die Beendigung selbst herbeiführt, setzt der Abwicklungsvertrag eine bereits erfolgte Kündigung voraus.
Typische Regelungsinhalte sind:
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Verzicht auf Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG),
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Zahlung einer Abfindung (§ 1a KSchG analog),
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Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses (§ 109 GewO),
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Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung,
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Rückgabe von Arbeitsmitteln und
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Ausgleichsklauseln, mit denen sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt werden.
2. Gesetzliche Grundlage und Abgrenzung
Der Abwicklungsvertrag ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Er beruht auf dem allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB).
Wichtige Bezugspunkte sind:
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§ 623 BGB – Schriftform der Beendigung von Arbeitsverhältnissen,
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§ 134 BGB – Verbot gesetzeswidriger Vereinbarungen,
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§ 138 BGB – Sittenwidrigkeit von Verträgen,
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§ 307 BGB – Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (bei Formularverträgen),
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§ 1 KSchG – Kündigungsschutz.
Der wesentliche Unterschied zum Aufhebungsvertrag liegt also darin, dass dieser die Beendigung selbst bewirkt, während der Abwicklungsvertrag nur Folgen einer Kündigung regelt.
3. Rechtsprechung zum Abwicklungsvertrag
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat sich vielfach mit der Wirksamkeit solcher Vereinbarungen befasst:
BAG, Urteil vom 12.03.2015 – 6 AZR 82/14:Arbeitgeber dürfen den Arbeitnehmer nicht unter Druck setzen, indem sie mit einer Kündigung drohen, um ihn zu einem Abwicklungsvertrag mit einem Klageverzicht zu bewegen. Wenn eine solche widerrechtliche Drohung vorliegt, kann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag anfechten.
BAG, Urteil vom 23.02.2021 – 5 AZR 314/20 Die im Abwicklungsvertrag vereinbarte unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung hat die Aufhebung der Arbeitspflicht des Klägers zur Folge, sodass er seine vertraglichen Pflichten nicht mehr erbringen muss und auch nicht mehr zur Arbeitsleistung herangezogen werden kann. Die „unwiderrufliche“ Natur der Freistellung bindet den Arbeitgeber rechtlich, er kann die Arbeitsleistung nicht mehr einfordern oder die Freistellung einseitig widerrufen. Der Arbeitnehmer kann während dieser Zeit neue berufliche Tätigkeiten aufnehmen, wobei Regelungen zur Anrechnung auf das Gehalt zu beachten sind.
BAG, Urteil vom 21.03.2018 – 7 AZR 590/16:
Der Abschluss eines Abwicklungsvertrag mit einem Betriebsratsmitglied stellt nicht automatisch eine unzulässige Begünstigung dar, auch wenn dies zu einer höheren Abfindung führt. Die höhere Abfindung ist auf den gesetzlichen Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder zurückzuführen und damit typischerweise gerechtfertigt.
Nicht alle Ansprüche werden von den Abgeltungsklauseln erfasst. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu zum Beispiel den Begriff „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ ausgelegt und eine Einschränkung vorgenommen. Nach dem BAG sind danach nicht nur die sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebenden Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst, sondern beispielsweise auch wechselseitige Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, allerdings jedoch nicht Ansprüche, die sich aus anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben. Dazu zählen zum Beispiel Forderungen aus Werkmietverträgen, Kaufverträgen oder auch aus einem Arbeitgeberdarlehen denn diese Ansprüche fallen in der Regel nicht unter eine Ausgleichsklausel, die sich lediglich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht.
4. Praxisbeispiel
Ein Arbeitnehmer erhält nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit eine betriebsbedingte Kündigung. Um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden, bietet der Arbeitgeber einen Abwicklungsvertrag mit einer Abfindung von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr an. Der Arbeitnehmer stimmt zu – im Vertrag verzichtet er auf jede Klage.
Nach Unterzeichnung bemerkt er, dass er kein qualifiziertes Arbeitszeugnis erhält. Die Ausgleichsklausel im Vertrag schließt jedoch alle Ansprüche aus.
Ergebnis: Der Arbeitnehmer kann das Zeugnis nicht mehr einklagen. Der Verzicht war wirksam, da er Teil einer umfassenden Einigung war und keine sittenwidrige Benachteiligung vorlag.
Praxistipp: Lassen Sie vor Unterzeichnung eines Abwicklungsvertrags prüfen, ob der Vertrag alle wichtigen Punkte – insbesondere Zeugnis, Resturlaub, Abfindung und Klageverzicht – rechtlich ausgewogen enthält.
5. Steuerliche und sozialrechtliche Folgen
Auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich kann der Abwicklungsvertrag erhebliche Konsequenzen haben:
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Abfindungen gelten als steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 EStG), können aber unter die sogenannte Fünftelregelung (§ 34 EStG) fallen.
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Bei Vereinbarung eines Klageverzichts kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit (§ 159 SGB III) verhängen, wenn der Arbeitnehmer freiwillig auf sein Beschäftigungsverhältnis verzichtet.
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Wird hingegen nur die Abwicklung einer arbeitgeberseitigen Kündigung geregelt, entfällt diese Sperrzeit in der Regel. Eine Sperrzeit tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer durch den Abwicklungsvertrag lediglich eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung akzeptiert.
6. Vorteile und Risiken im Überblick
Vorteile für Arbeitnehmer:
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Klarheit über Abfindung und Beendigungsmodalitäten
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Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich abzuschließen
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Planungssicherheit für neue Beschäftigung
Vorteile für Arbeitgeber:
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Vermeidung von Kündigungsschutzklagen
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Rechtssicherheit über Beendigung und Ansprüche
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Schutz vor nachträglichen Forderungen
Risiken für Arbeitnehmer:
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Verlust wichtiger Ansprüche (z. B. Resturlaub, Bonuszahlungen)
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Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
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Keine Möglichkeit der nachträglichen Klage
7. Handlungsempfehlung
Wenn Sie als Arbeitnehmer einen Abwicklungsvertrag vorgelegt bekommen, sollten Sie diesen niemals ungeprüft unterschreiben. Lassen Sie prüfen:
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ob die Abfindungshöhe angemessen ist,
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ob die Ausgleichsklausel fair formuliert ist,
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ob steuerliche und sozialrechtliche Folgen berücksichtigt sind.
Arbeitgeber sollten ebenfalls anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, um spätere Anfechtungen oder Klagen zu vermeiden.
8. Fazit
Der Abwicklungsvertrag ist ein praktisches Instrument, um eine rechtlich saubere und wirtschaftlich faire Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Seiten ihre Rechte und Pflichten genau kennen. Eine juristische Prüfung vor Unterzeichnung schützt vor teuren Fehlern.
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