Der Arbeitsvertrag – Pflichten, Rechte und Nachweisgesetz

1. Einleitung: Bedeutung und Problemstellung

Der Arbeitsvertrag bildet das rechtliche Fundament jedes Arbeitsverhältnisses. Er regelt die gegenseitigen Hauptpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer – insbesondere Arbeitsleistung und Vergütung. Dennoch entstehen viele Konflikte, weil die Vertragsbedingungen unklar oder unvollständig festgehalten werden. Seit der Reform des Nachweisgesetzes (NachwG) im August 2022 sind Arbeitgeber verpflichtet, umfassende Informationen über die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich zu dokumentieren. Verstöße können nicht nur zu Unsicherheiten im Arbeitsverhältnis führen, sondern auch bußgeldbewehrt sein (§ 4 NachwG).

Dieser Artikel erklärt die rechtlichen Grundlagen, zeigt aktuelle Rechtsprechung und gibt praxisnahe Hinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Das Nachweisgesetz existiert bereits seit 1995 und war lange Zeit wenig beachtet. Dennoch bestand schon nach alter Rechtslage ein Anspruch des Arbeitnehmers, auf Verlangen eine schriftliche Übersicht über die wichtigsten Arbeitsbedingungen zu erhalten. Mit der Fassung des Jahres 2022 wurde der Anwendungsbereich deutlich erweitert. Zum ersten Mal entstand eine Pflicht des Arbeitgebers, die wesentlichen Bedingungen unaufgefordert mitzuteilen, sofern das Arbeitsverhältnis nach dem 1. August 2022 begonnen hat. Außerdem wurde der Katalog der mitzuteilenden Arbeitsbedingungen erheblich erweitert und stärker konkretisiert.

Mit der neuesten Fassung zum 01. Januar 2025 hat sich die Form des Nachweises deutlich geändert. Bis Ende 2024 musste der Nachweis zwingend schriftlich mit handschriftlicher Unterschrift auf Papier erfolgen. Ab 2025 genügt in den meisten Fällen die Textform nach § 129b BGB. Damit können Nachweise nun auch per E-Mail, PDF, SMS oder anderen elektronischen Nachrichten übermittelt werden, sofern die Erklärung den Aussteller erkennen lässt und speicher- sowie ausdruckbar ist. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, den Erhalt elektronischer Dokumente zu bestätigen, auch wenn keine Pflicht besteht, diese Bestätigung tatsächlich einzuholen. In bestimmten Branchen, etwa im Baugewerbe, der Gastronomie oder der Sicherheitsbranche, bleibt es aufgrund § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zwingend bei der Schriftform.

 

2. Juristische Grundlagen

2.1 Vertragsschluss und Form

Nach § 611a BGB entsteht ein Arbeitsverhältnis durch einen Vertrag, in dem sich der Arbeitnehmer verpflichtet, weisungsgebundene Arbeit im Dienste des Arbeitgebers zu leisten. Grundsätzlich ist der Arbeitsvertrag formfrei – er kann also auch mündlich geschlossen werden.
Allerdings schreibt das Nachweisgesetz (§§ 1–5 NachwG) vor, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen, unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen muss.

Die Schriftform i.S.d. NachwG verlangt eine eigenhändige Unterschrift (§ 126 BGB). Eine elektronische Form (z. B. PDF mit digitaler Signatur) genügt derzeit nicht (§ 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG).

2.2 Pflichtangaben nach dem Nachweisgesetz

Welche Angaben ein solcher Nachweis enthalten muss, ergibt sich aus § 2 NachwG. Zu den grundlegenden Informationen gehören der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsort, die Beschreibung der Tätigkeit, die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich Zulagen und Zuschlägen, die Arbeitszeit, die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, die Kündigungsfristen und Hinweise auf geltende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Durch die Reform von 2022 kamen zahlreiche weitere Pflichtangaben hinzu, darunter die Dauer einer vereinbarten Probezeit, das konkrete Enddatum bei befristeten Verträgen, Hinweise zur freien Wahl des Arbeitsortes, die Vergütung von Überstunden und deren Fälligkeit, Regelungen zu Schichtarbeit und Abrufarbeit, Hinweise auf Fortbildungsansprüche und Informationen über eine zugesagte betriebliche Altersversorgung. Schließlich muss der Arbeitgeber das bei Kündigung einzuhaltende Verfahren beschreiben, insbesondere das Schriftformerfordernis, die gesetzliche Klagefrist von drei Wochen und die maßgeblichen Kündigungsfristen.

Gemäß § 2 Abs. 1 NachwG muss der Arbeitgeber spätestens am ersten Arbeitstag eine Niederschrift mit folgenden Angaben übergeben:

  1. Name und Anschrift der Vertragsparteien
  2. Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  3. Dauer bei befristeten Verträgen (§ 14 TzBfG)
  4. Arbeitsort bzw. Hinweis auf wechselnde Einsatzorte
  5. Beschreibung der Tätigkeit
  6. Zusammensetzung und Höhe der Vergütung (einschließlich Zuschläge, Prämien, Sonderzahlungen)
  7. Arbeitszeit, Ruhezeiten und Pausen (§ 3 ArbZG)
  8. Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (§ 3 BUrlG)
  9. Kündigungsfristen (§ 622 BGB)
  10. Hinweise auf geltende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen
  11. Verfahren bei Kündigungen, insbesondere Schriftformerfordernis (§ 623 BGB)
  12. Name des Trägers der Sozialversicherung

Bei Änderungen ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese spätestens am Tag des Inkrafttretens schriftlich mitzuteilen (§ 3 NachwG).

 

2.3. Pflichtangaben nur bei tatsächlichem Vorliegen

Nicht zu jedem dieser Punkte muss eine Angabe erfolgen. Wo bestimmte Bedingungen nicht existieren, etwa keine Befristung oder keine Schichtarbeit, entfällt auch die Pflicht, hierzu etwas auszuführen. Eine ausdrückliche Negativmitteilung ist nicht erforderlich.

2.4 Sanktionen bei Verstößen

Verstöße gegen die Nachweispflichten können nach § 4 NachwG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 2.000 Euro geahndet werden.
Darüber hinaus führt ein Verstoß nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags, kann aber im Streitfall zu Beweisnachteilen für den Arbeitgeber führen, etwa bei der Frage nach vereinbarter Arbeitszeit oder Vergütung.

3. Verhältnis zwischen Arbeitsvertrag und Nachweis

Unverändert bleibt, dass ein Arbeitsvertrag formfrei möglich ist. Selbst wenn keinerlei Schriftstück existiert, kommt der Vertrag bereits mit Aufnahme der Tätigkeit gegen Entgelt zustande. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Nachweis gesetzlich unabhängig vom Vertragsabschluss ist. Ein mündlich geschlossener Arbeitsvertrag bleibt wirksam; der Arbeitgeber ist nur verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen später schriftlich oder ab 2025 in Textform zu dokumentieren. Wenn allerdings bereits ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert, der sämtliche nach dem Gesetz erforderlichen Angaben enthält und zudem die geeignete Form einhält, ist kein zusätzlicher Nachweis erforderlich. Wichtig ist die Trennung: Der Nachweis ist keine Vertragsänderung, sondern lediglich eine einseitige Wissenserklärung des Arbeitgebers.

4. Fristen für Neueinstellungen seit dem 1. August 2022

Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 1. August 2022 beginnen, gelten feste Fristen. Bereits am ersten Arbeitstag müssen Angaben zu den Vertragsparteien, zur Arbeitszeit und zum Arbeitsentgelt vorliegen. Weitere Angaben, etwa zum Beginn, zur Befristung oder zur Tätigkeit, müssen spätestens sieben Kalendertage nach Arbeitsbeginn vorliegen. Alle übrigen Informationen müssen innerhalb eines Monats ärfolgen. Um die Erfüllung dieser zahlreichen Fristen zu erleichtern, empfiehlt es sich, Arbeitsverträge bereits vor Arbeitsbeginn vollständig und formgerecht auszuhändigen.

Für vor dem 1. August 2022 bestehende Arbeitsverhältnisse besteht die Nachweispflicht nur auf Verlangen des Arbeitnehmers. Mit Zugang des Verlangens laufen die entsprechenden Fristen. Eine Änderung des Arbeitsvertrags selbst ist nicht erforderlich, da ein gesondertes Schreiben mit der Auflistung der Arbeitsbedingungen genügt. Tatsächlich ist es häufig sogar ratsam, den Arbeitsvertrag nicht nachträglich zu ändern, um Unsicherheiten im Betrieb zu vermeiden.

5. Form des Nachweises: Schriftform bis 2024 – Textform ab 2025

Die Form des Nachweises hat sich zum 1. Januar 2025 deutlich geändert. Bis Ende 2024 musste der Nachweis zwingend schriftlich mit handschriftlicher Unterschrift auf Papier erfolgen. Ab 2025 genügt in den meisten Fällen die Textform nach § 129b BGB. Damit können Nachweise nun auch per E-Mail, PDF, SMS oder anderen elektronischen Nachrichten übermittelt werden, sofern die Erklärung den Aussteller erkennen lässt und speicher- sowie ausdruckbar ist. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, den Erhalt elektronischer Dokumente zu bestätigen, auch wenn keine Pflicht besteht, diese Bestätigung tatsächlich einzuholen. In bestimmten Branchen, etwa im Baugewerbe, der Gastronomie oder der Sicherheitsbranche, bleibt es aufgrund § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zwingend bei der Schriftform.

6. Keine einseitige Vertragsänderung durch den Nachweis

Der Nachweis dient ausschließlich der Information. Eine abweichende Darstellung im Nachweis hat keine rechtliche Wirkung auf den Arbeitsvertrag. Soll eine Vertragsänderung erfolgen, ist diese nur einvernehmlich oder durch eine Änderungskündigung möglich.

7. Verweis auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Gesetze

Das Nachweisgesetz erlaubt ausdrücklich, bei tarifvertraglichen oder betriebsvereinbarten Regelungen auf diese zu verweisen. Auch für gesetzliche Regelungen, etwa zur Dauer des Urlaubs oder zum Kündigungsverfahren, genügt ein Hinweis, wenn ausschließlich gesetzliche Vorgaben gelten.

8. Uneinigkeit über die Arbeitsbedingungen

Bei mündlichen Vereinbarungen kann es vorkommen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedliche Auffassungen über den Inhalt des Arbeitsvertrags haben. Da der Nachweis nur die Sicht des Arbeitgebers wiedergibt, ist er nicht geeignet, den tatsächlichen Vertragsinhalt festzustellen. Im Streitfall entscheiden die Gerichte anhand von Beweisen, Zeugenaussagen oder üblichen Abläufen.

9. Kein Verzicht des Arbeitnehmers auf den Nachweis

Ein Verzicht auf den Nachweis ist gesetzlich nicht zulässig. Das Nachweisgesetz ist zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Lediglich für vor dem 1. August 2022 entstandene Arbeitsverhältnisse gilt, dass der Arbeitgeber erst auf Verlangen tätig werden muss.

10. Handlungsempfehlungen

Für Arbeitgeber:

  • Verwenden Sie aktualisierte Verträge, die alle Pflichtangaben des § 2 NachwG enthalten.
  • Übergeben Sie die schriftliche Niederschrift spätestens am ersten Arbeitstag.
  • Dokumentieren Sie alle Änderungen (z. B. bei Gehalt oder Arbeitszeit) schriftlich.
  • Beachten Sie das Schriftformerfordernis bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen (§ 623 BGB).
  • Führen Sie interne Compliance-Kontrollen durch, um Bußgelder zu vermeiden.

Für Arbeitnehmer:

  • Fordern Sie den schriftlichen Nachweis ein, falls er nicht rechtzeitig vorliegt.
  • Prüfen Sie sorgfältig, ob alle Bedingungen (Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub, Kündigungsfristen) korrekt dokumentiert sind.
  • Suchen Sie rechtliche Beratung, wenn sich Unklarheiten über Arbeitsbedingungen ergeben.

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