Abmahnung im Arbeitsrecht: Rechte, Pflichten und Handlungsmöglichkeiten

1. Einleitung

Eine Abmahnung ist für Arbeitnehmer ein ernstes Warnsignal: Sie dokumentiert eine Pflichtverletzung und droht gleichzeitig Konsequenzen – bis hin zur Kündigung – an. Für Arbeitgeber ist die Abmahnung ein notwendiges Instrument, um Fehlverhalten rechtssicher zu rügen und die Grundlage für spätere Maßnahmen zu schaffen. Dieser Artikel erklärt die rechtlichen Grundlagen der Abmahnung, zeigt die Voraussetzungen auf und beleuchtet wichtige Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Arbeitnehmer wie Arbeitgeber erhalten damit einen klaren Leitfaden für den richtigen Umgang mit Abmahnungen.

 

2. Begriff und Funktion der Abmahnung

Die Abmahnung ist ein arbeitsrechtliches Mittel, um Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu beanstanden und gleichzeitig für die Zukunft zu warnen.

Zentrale Funktionen:

  1. Dokumentationsfunktion – das Fehlverhalten wird schriftlich festgehalten.
  2. Rügefunktion – der Arbeitgeber macht klar, dass er das Verhalten als Vertragsverstoß wertet.
  3. Warnfunktion – der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung droht.

Eine gesetzliche Definition der Abmahnung existiert nicht. Ihre Grundlage ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts, insbesondere aus:

  • § 611a BGB (Arbeitsvertrag, Leistungspflicht des Arbeitnehmers),
  • § 241 Abs. 2 BGB (Treuepflichten im Schuldverhältnis),
  • § 242 BGB (Treu und Glauben).

Im Kontext einer Kündigung spielt die Abmahnung vor allem in Verbindung mit § 626 BGB (außerordentliche Kündigung) und § 1 Abs. 2 KSchG (Sozialwidrigkeit der Kündigung) eine zentrale Rolle.

 

3. Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung

Damit eine Abmahnung rechtlich wirksam ist, muss sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Gerichte prüfen streng, ob diese eingehalten wurden:

  1. Konkretisierung des Vorwurfs
    • Die Pflichtverletzung muss genau bezeichnet werden (Datum, Uhrzeit, konkretes Verhalten).
    • Pauschale Vorwürfe („Sie sind unzuverlässig“) reichen nicht aus.
  2. Rügecharakter
    • Der Arbeitgeber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Verhalten als Vertragsverletzung wertet.
  3. Warnfunktion
    • Es muss klar sein, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.
  4. Verhältnismäßigkeit
    • Abmahnungen dürfen nicht bei Bagatellen ausgesprochen werden, sondern nur bei erheblichen Pflichtverstößen.

 

4. Rechtsprechung zur Abmahnung

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat die Voraussetzungen und Wirkungen der Abmahnung präzisiert:

  • BAG, Urteil vom 07.07.2005 – 2 AZR 581/04
    Die eine außerordentliche Kündigung ist nicht schon un­wirk­sam, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor ih­rem Aus­spruch nicht abgemahnt hat. Es be­darf immer dann ei­ner Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit ver­tret­ba­ren Gründen an­neh­men konn­te, sein Ver­hal­ten sei nicht ver­trags­wid­rig oder wer­de vom Ar­beit­ge­ber zu­min­dest nicht als ein er­heb­li­ches, den Be­stand des Arbeitsverhältnisses gefähr­den­des Fehl­ver­hal­ten an­ge­se­hen (Se­nat 9. Ja­nu­ar 1986 – 2 ABR 24/85 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA BGB § 626 nF Nr. 98; zu­letzt: 25. März 2004 – 2 AZR 341/03 – AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6).

 

  • BAG, Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11
    Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.

 

  • BAG, Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 283/08
    Eine Abmahnung muss hinreichend bestimmt sein. Allgemeine Vorwürfe ohne genaue Beschreibung der Pflichtverletzung genügen nicht.

 

  • LAG Schleswig-Holstein vom 28.02.2019 – 5 Sa 361/18                        Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs 1 S 1 BGB die Entfernung zu Unrecht erteilter Abmahnungen aus ihrer Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Arbeitnehmerverhaltens beruht oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt

 

5. Praxisbeispiele

Beispiel 1: Unpünktlichkeit
Ein Arbeitnehmer erscheint mehrfach 15 Minuten zu spät. Der Arbeitgeber kündigt sofort.
→ Ohne vorherige Abmahnung ist die Kündigung in der Regel unwirksam, weil es sich um ein steuerbares Verhalten handelt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Beispiel 2: Beleidigung von Vorgesetzten oder Kollegen
Der Arbeitnehmer beschimpft den Vorgesetzten oder einen grob.
→ Hier kann je nach Schwere des Vorfalls auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.

Beispiel 3: Private Internetnutzung
Ein Arbeitnehmer verbringt täglich mehrere Stunden im Internet zu privaten Zwecken. Arbeitgeber spricht Abmahnung aus. Nach Wiederholung erfolgt die Kündigung.
→ Kündigung wirksam, weil zuvor eine klare Abmahnung erfolgt war.

 

6. Abmahnung im Verhältnis zur Kündigung

Die Abmahnung ist insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen wichtig.

  • Ordentliche Kündigung: Vor einer verhaltensbedingten Kündigung muss regelmäßig eine Abmahnung erfolgen, es sei denn, es handelt sich um besonders schwerwiegendes Fehlverhalten.
  • Außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB): Auch hier gilt grundsätzlich die Erforderlichkeit einer Abmahnung, wenn das Verhalten steuerbar ist. Nur bei schwerwiegenden Verstößen (z. B. Straftaten) ist eine Abmahnung entbehrlich.

 

7. Entfernung unrechtmäßiger Abmahnungen

Arbeitnehmer haben ein Recht darauf, dass unberechtigte Abmahnungen aus der Personalakte entfernt werden. Rechtsgrundlage:

  • § 1004 BGB analog (Beseitigungsanspruch),
  • § 242 BGB (Treu und Glauben).

Das BAG (Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11) entschied, dass Arbeitnehmer eine Abmahnung erfolgreich anfechten können, wenn sie inhaltlich unbestimmt, unwahr oder unverhältnismäßig ist.

 

8. Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer

  • Ruhe bewahren: Eine Abmahnung ist noch keine Kündigung.
  • Dokumentation prüfen: Stimmen Datum, Uhrzeit und Sachverhalt?
  • Gegendarstellung: Arbeitnehmer können eine schriftliche Stellungnahme zur Personalakte geben.
  • Entfernung verlangen: Wenn die Abmahnung unbegründet ist, kann Klage auf Entfernung vor dem Arbeitsgericht erhoben werden.
  • Fristen beachten: Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage kann auch die Wirksamkeit einer Abmahnung überprüft werden.

 

9. Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

  • Sorgfältige Formulierung: Die Abmahnung muss den Vorfall konkret schildern.
  • Verhältnismäßigkeit: Abmahnungen sollten nur bei erheblichen Pflichtverstößen erfolgen.
  • Dokumentation sichern: Für spätere Kündigungen ist es entscheidend, dass Abmahnungen rechtssicher dokumentiert sind.
  • Mustertexte vermeiden: Pauschale Vorlagen führen oft zu unwirksamen Abmahnungen.

 

10. Fazit

Abmahnungen sind im Arbeitsrecht ein sensibles Thema. Arbeitnehmer sollten unrechtmäßige Abmahnungen nicht akzeptieren, Arbeitgeber müssen sorgfältig vorgehen, um spätere Kündigungen abzusichern.

 

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