1. Einleitung: Arbeitszeit als Konfliktfeld zwischen Leistung und Schutz
In der modernen Arbeitswelt verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend. Ständige Erreichbarkeit, flexible Arbeitszeitmodelle und Überstunden gehören in vielen Branchen zum Alltag. Gleichzeitig stellt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) klare Regeln auf, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Arbeitszeiten gesetzlich zulässig sind, wann Überstunden vergütet werden müssen und welche Pflichten Arbeitgeber bei der Zeiterfassung haben.
2. Gesetzliche Grundlagen der Arbeitszeit
2.1 Regelarbeitszeit und Obergrenzen (§ 3 ArbZG)
Nach § 3 Satz 1 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten.
Sie kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
Das bedeutet:
Wer an einzelnen Tagen länger arbeitet, muss in einem bestimmten Zeitraum wieder Freizeitausgleich erhalten. Diese Regel gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer – ausgenommen sind leitende Angestellte (§ 18 ArbZG).
2.2 Ruhezeiten und Pausen (§ 4–5 ArbZG)
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Pausen: Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden sind mindestens 30 Minuten Pause vorgeschrieben; bei mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten (§ 4 ArbZG).
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Ruhezeit: Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit müssen mindestens 11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit eingehalten werden (§ 5 ArbZG).
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Sonn- und Feiertagsarbeit: Grundsätzlich verboten (§ 9 ArbZG), Ausnahmen gelten z. B. für Krankenhäuser, Gastronomie und Verkehrsbetriebe (§ 10 ArbZG).
2.3 Wöchentliche Höchstarbeitszeit
Aus § 3 ArbZG ergibt sich mittelbar eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden (6 × 8 h).
Eine Ausdehnung auf 60 Stunden ist nur zulässig, wenn innerhalb von sechs Monaten der Durchschnitt wieder auf 48 Stunden abgesenkt wird.
3. Arbeitszeiterfassung und Nachweispflicht
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Diese Pflicht ergibt sich aus einer EuGH-Entscheidung.
Das bedeutet: Eine reine Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung ist nicht mehr zulässig. Arbeitgeber müssen ein objektives, verlässliches und zugängliches System einführen, mit dem Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst werden.
Praxisfolgen:
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Excel-Listen oder elektronische Tools sind ausreichend, wenn sie korrekt geführt werden.
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Bei Verstößen drohen Bußgelder nach § 22 ArbZG.
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Arbeitnehmer können ihre geleisteten Stunden leichter nachweisen, wenn es zum Streit über Überstundenvergütung kommt.
4. Überstunden und ihre Vergütung
4.1 Was sind Überstunden?
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte oder gesetzlich zulässige Arbeitszeit hinausgehen. Entscheidend ist, was im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.
4.2 Anordnung von Überstunden
Überstunden dürfen nicht einseitig vom Arbeitgeber verlangt werden.
Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers besteht nur, wenn
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dies ausdrücklich vereinbart wurde oder
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dringende betriebliche Gründe (z. B. Notfälle) vorliegen.
Fehlt eine solche Regelung, können Arbeitnehmer die Mehrarbeit grundsätzlich verweigern.
4.3 Vergütung von Überstunden
Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt: Überstunden sind zu vergüten, wenn sie angeordnet, geduldet oder betrieblich notwendig waren.
Es besteht also kein automatischer Anspruch – maßgeblich ist die Vereinbarung.
4.4 Ausgleich durch Freizeit
Viele Arbeitsverträge sehen einen Freizeitausgleich statt Vergütung vor. Dieser muss innerhalb eines angemessenen Zeitraums gewährt werden. Ist der Ausgleich nicht möglich, besteht Anspruch auf Auszahlung.
5. Sonderregelungen und Ausnahmen
5.1 Teilzeitbeschäftigte (§ 12 TzBfG)
Überstunden sind nur zulässig, wenn sie vertraglich oder tariflich vereinbart wurden.
Eine dauerhafte Mehrarbeit kann als konkludente Arbeitszeiterhöhung gewertet werden.
5.2 Führungskräfte (§ 18 ArbZG)
Leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind von den Arbeitszeitvorschriften ausgenommen.
Dennoch gelten auch für sie allgemeine Schutzpflichten nach § 618 BGB (Gesundheitsvorsorge).
5.3 Bereitschaftsdienst
Bereitschaftsdienst zählt zur Arbeitszeit (§ 7 ArbZG), da sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten muss.
6. Handlungsempfehlungen
Für Arbeitgeber:
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Richten Sie ein verlässliches Zeiterfassungssystem ein (digital oder manuell).
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Halten Sie Ruhezeiten und Pausen strikt ein.
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Überprüfen Sie Arbeitsverträge auf klare Überstundenregelungen.
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Führen Sie regelmäßige Arbeitszeitkontrollen durch, um Bußgelder zu vermeiden.
Für Arbeitnehmer:
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Dokumentieren Sie Ihre Arbeitszeit eigenständig.
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Bestehen Sie auf die Einhaltung von Ruhezeiten.
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Machen Sie Überstundenvergütung schriftlich geltend – möglichst zeitnah, da Ausschlussfristen gelten können.
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Lassen Sie zweifelhafte Arbeitszeitmodelle juristisch prüfen.
7. Weiterführende Artikel:
Beratung im Arbeitsrecht
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