1. Einführung
Im Arbeitsrecht ist nicht nur der Inhalt einer Kündigung wichtig – entscheidend ist ihr Zugang. Denn eine Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nur dann wirksam wird, wenn sie dem Arbeitnehmer nachweislich zugeht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einem aktuellen Fall über die Frage zu entscheiden, ob ein Einwurf-Einschreiben hierfür ausreicht – und verneinte dies, BAG, Urteil vom 30.01.2025 – Az. 2 AZR 68/24.
2. Der Fall: Kündigung einer Arzthelferin
Eine medizinische Fachangestellte war seit Mai 2021 in einer Augenarztpraxis beschäftigt. Der Arbeitgeber warf ihr vor, im Impfpass ihres Ehemanns fiktive Corona-Impfungen dokumentiert zu haben. Daraufhin kündigte die Praxis mehrfach – unter anderem außerordentlich am 26. Juli 2022 per Einwurf-Einschreiben.
Die Arbeitnehmerin bestritt den Zugang der Kündigung. Die Arbeitgeberin legte einen Einlieferungsbeleg mit Sendungsnummer vor – jedoch keinen Auslieferungsnachweis oder Zeugen, der den Einwurf bestätigen konnte.
3. Schriftform und Zustellung von Kündigungen
a) Formanforderung (§ 623 BGB)
Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen und eigenhändig unterschrieben sein. Elektronische Übermittlungen, etwa per E-Mail, Fax oder WhatsApp, sind unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob der Empfänger die Nachricht tatsächlich liest.
b) Mögliche Zustellungsarten
Um den Zugang einer Kündigung rechtssicher zu dokumentieren, kommen folgende Methoden in Betracht:
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Persönliche Übergabe gegen Empfangsbestätigung
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Zustellung durch Boten mit späterer Zeugenaussage
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Einwurf-Einschreiben (aber nur mit Auslieferungsnachweis sicher)
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Gerichtsvollzieherzustellung – sehr sicher, aber zeit- und kostenintensiv
Ein Einschreiben mit Rückschein birgt Risiken: Holt der Empfänger die Sendung nicht ab, gilt die Kündigung als nicht zugegangen.
4. Zugang der Kündigung – Definition und Probleme
Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Zugang gegeben, wenn die Kündigung in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Beispiele für Zugangssituationen:
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Einwurf in den Hausbriefkasten am Vormittag → regelmäßig Zugang noch am selben Tag
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Einwurf spät abends → kann Zugang erst am Folgetag bedeuten
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Nicht abgeholtes Einschreiben → kein Zugang, wenn keine tatsächliche Kenntnisnahme oder Zustellung stattgefunden hat
Im entschiedenen Fall konnte der Arbeitgeber keine genaue Uhrzeit des Einwurfs, keine Zeugen und keinen Auslieferungsbeleg vorlegen. Ein reiner Einlieferungsbeleg ist hierfür nicht ausreichend.
5. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und des BAG
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg urteilte, dass der Zugang nicht bewiesen sei. Der Einlieferungsbeleg und Sendungsverfolgung genügten nicht.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte dies (Urteil vom 30.01.2025 – 2 AZR 68/24):
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Kein Zugang, wenn Auslieferungsbeleg fehlt
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Kein Anscheinsbeweis aufgrund unklarer Zustellumstände
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Zugangsnachweis ist Sache des Arbeitgebers
6. Bedeutung des Zugangs für Fristen
Der Zugang der Kündigung ist entscheidend für:
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Beginn der Kündigungsfrist (§§ 622 BGB, ggf. Tarifverträge)
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Beginn der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage: 3 Wochen ab Zugang (§ 4 Satz 1 KSchG)
Ein nicht oder verspätet zugegangenes Kündigungsschreiben kann dazu führen, dass die Kündigung unwirksam istoder zu spät wirksam wird.
7. Empfehlungen für die Praxis
Für Arbeitgeber:
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Wählen Sie sichere Zustellmethoden, idealerweise Zustellung durch einen Boten mit Dokumentation.
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Lassen Sie sich bei persönlicher Übergabe eine Empfangsbestätigung unterschreiben.
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Vermeiden Sie Zustellungen per Rückschein oder nur per Post, wenn keine weiteren Nachweise möglich sind.
Für Arbeitnehmer:
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Bestreiten Sie zweifelhaften Zugang frühzeitig im Verfahren.
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Lassen Sie sich bei Erhalt einer Kündigung rechtlich beraten, um Fristen zu wahren.
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Beachten Sie: Auch eine unwirksame Kündigung kann bei unterlassener Klageerhebung wirksam werden (§ 7 KSchG).
8. Fazit
Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn sie nachweislich zugeht. Arbeitgeber tragen das volle Risiko für den Zugang. Ein Einwurf-Einschreiben ohne Auslieferungsbeleg reicht nicht aus, wie das BAG klargestellt hat. Um Rechtssicherheit und Fristwahrung zu gewährleisten, sollten alle Beteiligten – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – genau auf die Form, Art der Zustellung und Dokumentation achten.
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