Das Ausbildungsverhältnis ist kein normales Arbeitsverhältnis. Für Auszubildende gelten besondere Schutzvorschriften, und Arbeitgeber sind zu einer planmäßigen, qualifizierten Ausbildung verpflichtet. In der Praxis stellt sich jedoch häufig die Frage, welche Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung zulässig sind, wann eine Kündigung möglich ist und welche Rechte Auszubildende haben, wenn der Ausbildungszweck verfehlt wird. Die folgenden Fragen greifen typische Probleme aus der Beratungspraxis auf.
Wann ist eine Ausbildungsstätte für die Berufsausbildung geeignet?
Eine Ausbildungsstätte ist für die Berufsausbildung geeignet, wenn gewährleistet ist, dass die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten dort in vollem Umfang vermittelt werden können. Betriebe sollten sich vor Beginn der Ausbildung bei der zuständigen Stelle über Ausbildungsmöglichkeiten erkundigen. Dies sind in der Regel die für die Ausbildung zuständige Kammer, wie z. B. die Handwerkskammer oder die Industrie- und Handelskammer)
Kann ein kleinerer Betrieb nicht alle Kenntnisse und Fähigkeiten vollumfänglich vermitteln, dürfen diese auch durch Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vermittelt werden, etwa in überbetrieblichen Einrichtungen. Möglich ist auch der Zusammenschluss mehrerer Betriebe im Rahmen einer Verbundausbildung. Schließlich sollte die Zahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte stehen.
Wer darf innerhalb des Betriebes ausbilden?
Ausbilderinnen und Ausbilder stehen in der Verantwortung, ihre Rolle als Lernberater und Planer der betrieblichen Ausbildung wahrzunehmen. Ausbilden darf daher nur, wer persönlich und fachlich geeignet ist.
Um den jeweiligen Qualifikationsanforderungen für die entsprechende Ausbildungspraxis erfüllen zu können, eignet sich die Ausbilder-Eignungsprüfung (nach AEVO) als guter Einstieg in die Ausbildertätigkeit. Sie dient auch als formaler Nachweis der fachlichen und pädagogischen Eignung des Ausbildungsbetriebes.
Wann liegt ein Ausbildungsverhältnis vor und was unterscheidet es vom Arbeitsverhältnis?
Ein Ausbildungsverhältnis liegt vor, wenn der Zweck des Vertrags die Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit ist. Rechtsgrundlage ist § 10 Abs. 1 BBiG, der bestimmt:
„Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein besonderes öffentlich-rechtlich geordnetes Rechtsverhältnis, das der Berufsausbildung dient.“
Im Unterschied zum Arbeitsvertrag schuldet der Auszubildende nicht primär Arbeitsleistung, sondern Lernbereitschaft. Der Arbeitgeber schuldet nicht nur Beschäftigung, sondern Ausbildung. Diese Zweckbindung prägt sämtliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien.
Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu explizit ausgeführt:
Berufsausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen, weil beide Vertragsverhältnisse unterschiedliche Pflichtenbindungen aufweisen (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 348/02 – zu 2 a bb der Grün-de, BAGE 107, 72; 16. Juli 2013 – 9 AZR 784/11 – Rn. 37, BAGE 145, 371). Inhalt eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 BGB die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gegen Zahlung eines Entgelts. Demgegenüber schuldet der Auszubildende, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbildenden nach § 14 BBiG darin besteht, dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 13 Satz 1 BBiG zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 360/10 – Rn. 13 mwN).
Welche Tätigkeiten darf der Arbeitgeber von Auszubildenden verlangen?
Auszubildende dürfen ausschließlich zu Tätigkeiten herangezogen werden, die dem Ausbildungszweck dienen. Maßgeblich ist § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBiG:
„Der Ausbildende hat dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird.“
Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu klargestellt, dass auch reale betriebliche Tätigkeiten zulässig sind, sofern sie didaktisch in die Ausbildung eingebettet sind und dem Erwerb beruflicher Fertigkeiten dienen.
In seinem Urteil vom 02.06.2021 – 4 AZR 274/20 führt das BAG aus, dass wirtschaftlich verwertbare Arbeitsergebnisse zwar anfallen dürfen, diese jedoch nur Nebenfolge der Ausbildung sein dürfen.
Der Ausbildungszweck muss stets überwiegen; eine Beschäftigung wie eine reguläre Arbeitskraft ist unzulässig.
Bereits zuvor hat das BAG im Urteil vom 16.07.2013 – 9 AZR 784/11 betont, dass das Berufsausbildungsverhältnis nicht dem Austausch von Arbeit gegen Vergütung dient.
Wörtlich heißt es hier: Das Berufsausbildungsverhältnis ist dagegen darauf angelegt, dem Auszubildenden – in einem zeitlich befristeten Zeitraum – eine breit angelegte berufliche Grundausbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln (BAG 29. November 1984 – 2 AZR 354/83 – zu II 2 b der Gründe). Entsprechend der Zwecksetzung des Berufsausbildungsverhältnisses stellt die Ausbildungsvergütung deshalb nur eine finanzielle Unterstützung bei der Lebenshaltung und nur eine „Entlohnung“ in gewissem Umfang dar. Das Erreichen des Ausbildungsziels vermittelt den wesentlichen wirtschaftlichen Wert des Ausbildungsverhältnisses für den Auszubildenden und damit den Wert des Bestandsschutzes.
Auch einfache oder wiederholende Tätigkeiten sind nur dann zulässig, wenn sie erkennbar dem Ausbildungsplan zugeordnet sind und der Vermittlung beruflicher Grundlagen dienen.
Besonders deutlich wird die Grenze dort, wo Auszubildende dauerhaft produktiv eingesetzt werden. Das BAG hat im Urteil vom 27.07.2010 – 3 AZR 317/08 entschieden, dass bei einer solchen Zweckentfremdung der Charakter eines Ausbildungsverhältnisses verloren gehen kann. In diesen Fällen kommt sogar eine rechtliche Einordnung als faktisches Arbeitsverhältnis mit entsprechenden Vergütungsansprüchen in Betracht.
Welche Pflichten hat der Auszubildende im Gegenzug?
Auch Auszubildende haben Pflichten. § 13 BBiG bestimmt:
„Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben und die ihnen im Rahmen der Berufsausbildung übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen.“
Dazu gehören insbesondere die Teilnahme am Berufsschulunterricht, das Führen von Ausbildungsnachweisen und die Beachtung betrieblicher Anweisungen, soweit diese ausbildungsbezogen sind. Pflichtverletzungen können – je nach Schwere – arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.
Welche Vergütung steht Auszubildenden zu?
Auszubildende haben Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung nach § 17 BBiG. Diese muss mit fortschreitender Ausbildung ansteigen und mindestens der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung entsprechen. Wird die Vergütung nicht gezahlt oder liegt sie deutlich unter dem gesetzlichen Mindestniveau, können Nachzahlungsansprüche bestehen.
Was können Auszubildende tun, wenn der Ausbildungszweck verfehlt wird?
Wird der Auszubildende überwiegend ausbildungsfremd eingesetzt, sollte dies dokumentiert und zunächst intern angesprochen werden. Bleibt eine Verbesserung aus, kann die zuständige Kammer (IHK oder HWK) eingeschaltet werden. In schweren Fällen ist auch eine fristlose Kündigung durch den Auszubildenden nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG möglich, wenn die Ausbildung nachhaltig beeinträchtigt ist.
Wann und wie kann ein Ausbildungsverhältnis gekündigt werden?
Für Kündigungen gelten besondere Regeln nach § 22 BBiG.
„Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Probezeit ist eine Kündigung durch den Ausbildenden nur aus wichtigem Grund zulässig.“
Das Bundesarbeitsgericht stellt hohe Anforderungen an einen solchen wichtigen Grund. Erforderlich ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung, durch die das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört ist. Bloße Leistungsdefizite oder kleinere Pflichtverstöße reichen regelmäßig nicht aus.
Auszubildende können nach der Probezeit mit einer Frist von vier Wochen ordentlich kündigen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder einen anderen Ausbildungsberuf erlernen möchten.
Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, etwa in Fällen sexueller Belästigung oder schwerer Beleidigung, bleibt davon unberührt und kann vom Auzubildenden jederzeit ausgesprochen werden.
Praxis-Check für Arbeitgeber und Auszubildende
Auszubildende sollten darauf achten, dass ihre Tätigkeiten erkennbar dem Ausbildungsplan entsprechen und nicht dauerhaft reine Arbeitsleistung darstellen. Arbeitgeber sollten ihre Ausbildung systematisch strukturieren und regelmäßig überprüfen, ob die vermittelten Inhalte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Verstöße gegen das Berufsbildungsgesetz können nicht nur zur Vertragsauflösung, sondern auch zu erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen führen.
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