Einführung
Verstöße gegen den Datenschutz am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit – sei es durch die Weiterleitung dienstlicher E-Mails an das eigene Postfach oder durch das eigenmächtige Durchsuchen privater Daten von Kollegen. Doch wann rechtfertigt ein Datenschutzverstoß eine fristlose Kündigung? Zwei aktuelle Entscheidungen – des LAG München und des Arbeitsgerichts Aachen – zeigen eindrucksvoll, wie sensibel Gerichte diese Thematik behandeln. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die Tragweite solcher Verstöße nicht unterschätzen.
1. Welcher Datenschutzverstoß war Grundlage der Kündigung? – Der Fall LAG München
Im Urteil des LAG München (Az.: 7 U 351/23 e) ging es um einen leitenden Angestellten, der innerhalb von drei Monaten neun dienstliche E-Mails an seine private Adresse in CC gesetzt hatte. Die Inhalte waren brisant:
•interne Gehaltsabrechnungen,
•Provisionsplanungen,
•eine Bankanfrage zur Geldwäscheaufklärung
•und interne Vorstandsstreitigkeiten.
Die Beklagte – eine Aktiengesellschaft – sah hierin einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Datenschutz und die Verschwiegenheitspflicht. Nach Anhörung beschloss der Aufsichtsrat die Abberufung und die fristlose Kündigung. Vertraglich hatte sich der Kläger zur Vertraulichkeit aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet – unabhängig von einer Kennzeichnung.
2. Warum war der Datenschutzverstoß ein wichtiger Kündigungsgrund?
Das OLG München stützte die fristlose Kündigung auf § 626 Abs. 1 BGB, wonach eine außerordentliche Kündigung zulässig ist, wenn Tatsachen vorliegen, „aufgrund derer dem Kündigenden […] die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“ Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten kann dabei grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen.
Relevante Rechtsvorschriften:
•Art. 6 Abs. 1 DSGVO: Datenverarbeitung nur bei Rechtsgrundlage zulässig.
•Art. 5 Abs. 1 DSGVO: Grundsätze der Datenverarbeitung – insbesondere Datenminimierung und Integrität.
•§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG: Pflicht eines Vorstandsmitglieds, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.
•§ 26 BDSG: Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis nur bei konkretem Erfordernis.
Das LAG sah die Weiterleitung der E-Mails als Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO. Die Daten betrafen nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch Dritte. Die Übermittlung war nicht erforderlich, nicht erlaubt und auch nicht auf ein berechtigtes Interesse gestützt. Jede einzelne Weiterleitung stellte einen DSGVO-Verstoß dar. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht hingegen wurde nicht angenommen, da die Mails nicht Dritten bekannt wurden. Dennoch war der Vertrauensverlust so gravierend, dass die Kündigung berechtigt war.
3. Datenschutzverstoß im Unternehmen – Kaskadengefahr
Das Urteil unterstreicht, dass auch scheinbar geringfügige Datenschutzverstöße – wie das Weiterleiten dienstlicher E-Mails – gravierende Folgen haben können. Besonders wenn sensible Daten Dritter betroffen sind, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung haben. Darüber hinaus kann ein Arbeitnehmer bei pflichtwidriger Nutzung der Unternehmens-IT sogar schadensersatzpflichtig sein, wenn durch die unrechtmäßige Datenverarbeitung z. B. ein Bußgeld der Aufsichtsbehörde (§ 83 DSGVO) oder ein Schadensersatzanspruch eines Dritten (§ 82 DSGVO) entsteht.
4. Das Urteil des ArbG Aachen: Datenschutzverstoß ohne Kündigung
Im Fall ArbG Aachen, Urteil vom 14.12.2021, Az. 8 Ca 3432/20, ging es um eine langjährig beschäftigte Mitarbeiterin einer Kirchengemeinde. Diese entdeckte auf dem Dienstcomputer ihres Vorgesetzten Hinweise auf ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren sowie private Chatverläufe mit einer Frau im Kirchenasyl. In der Annahme, zur Aufklärung einer möglichen Straftat beitragen zu müssen, sicherte sie die Daten auf einem USB-Stick und gab sie an die Staatsanwaltschaft weiter.
Warum war das Verhalten rechtswidrig?
•§ 26 Abs. 1 S. 2 BDSG erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten nur, wenn sie für das Beschäftigungsverhältnis erforderlich ist oder der Aufdeckung einer Straftat dient.
•Nur der Verantwortliche im datenschutzrechtlichen Sinne (also die Arbeitgeberin) kann sich auf die Strafverfolgungsklausel berufen.
•Die Mitarbeiterin war nicht autorisiert und durchsuchte offensichtlich private Daten ohne Erlaubnis. Dies war eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 – 1 BvR 370/07 – „Computer-Grundrecht“).
Warum war die Kündigung trotzdem unwirksam?
Das Gericht stellte fest, dass zwar ein Verstoß vorlag, dieser aber im Verhältnis zur 23-jährigen Betriebszugehörigkeit und dem moralisch motivierten Handeln der Mitarbeiterin nicht ausreichend schwerwiegend war. Eine Abmahnung wäre das mildere Mittel gewesen. Zudem war das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündbar, was die Anforderungen an eine fristlose Kündigung weiter erhöht.
5. Fazit: Datenschutzverstoß ≠ automatisch Kündigungsgrund
Die beiden Urteile zeigen deutlich:
•Datenschutzverstöße können, müssen aber nicht zwangsläufig eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
•Maßgeblich ist stets eine Einzelfallabwägung nach § 626 BGB:
•Welche Daten wurden verarbeitet?
•War der Zugriff autorisiert?
•Lag ein berechtigtes Interesse vor?
•Gab es mildere Mittel?
•Besteht ein Vertrauensverlust?
Die Trennung von dienstlicher und privater IT-Nutzung sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit personenbezogenen Daten sind im Arbeitsverhältnis unerlässlich – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten klare Richtlinien zur IT-Nutzung und zum Umgang mit personenbezogenen Daten etablieren. Arbeitnehmer sollten sich vor jeder Datenweitergabe – auch an sich selbst – vergewissern, ob sie hierzu rechtlich befugt sind. Im Zweifel: nachfragen statt nachsenden!
Beratung und Vertretung
Im Arbeitssrecht kommt es mitunter auf Nuancen an. Wenn Sie Fragen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen eines Datenschutzverstoßes haben – sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
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