Wird meine Abfindung nach einem Aufhebungsvertrag auf das Arbeitslosengeld I angerechnet? Muss ich eine Sperrzeit oder Minderung befürchten?

Immer häufiger werden Arbeitnehmern so genannte Aufhebungsverträge angeboten, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dabei sind immer mehr Arbeitgeber bereit, ihren Arbeitnehmern zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu zahlen.

1. Anrechnung der Abfindung auf ALG 1

Die erste Frage, die sich Arbeitnehmern in diesem Zusammenhang stellt, ist:

Wird die Abfindung auf mein Arbeitslosengeld angerechnet, so dass ich am Ende weniger bekomme?

Grundsätzlich gilt hier: Durch die Abfindung wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemindert.

Allerdings ist Voraussetzung hierfür, dass das Arbeitsverhältnis nicht früher beendet wurde, als es bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung geendet hätte.

Beispiel:

Sie haben eine vertragliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende. Am 25.06.2021 schließen Sie einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber ab, der das Ende des Arbeitsverhältnis einvernehmlich auf den 31.12. 2021 festlegt.

In diesem Fall wird die vereinbarte Abfindungssumme nicht auf das Arbeitslosengeld I angerechnet. Denn wenn der Arbeitgeber Ihnen am 25.06.2021 ordentlich gekündigt hätte, wäre Ihr Arbeitsverhältnis ebenfalls zum 31.12.2021 beendet worden. Sie wären also bei einer ordentlichen Kündigung keinen Tag früher arbeitslos.

Die Bundesagentur für Arbeit kann von Ihnen in diesem Fall nicht verlangen, daß Sie von Ihrer Abfindung leben.

2. Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Was passiert, wenn mein Arbeitsverhältnis früher endet als vertraglich vereinbart oder gesetzlich geregelt? Wird dann erst später Arbeitslosengeld I gezahlt?

In diesem Fall tritt das so genannte „Ruhen“ ein. Dies ist normiert in § 158 Abs. 1 SGB III. Das Arbeitslosengeld I wird dann zwar in voller Höhe gezahlt, aber nicht sofort im Anschluß an die Arbeitslosmeldung, sondern erst einige Zeit später.

Die Berechnung der “Ruhepause“ wird gemäß § 158 Abs. 3 SGB III auf Grundlage folgender Faktoren berechnet:

  1. Alter des Arbeitnehmers
  2. Dauer der Betriebszugehörigkeit
  3. Höhe des Arbeitslosengeldes I

Als Faustregel gilt: Je länger ein Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigt war und je älter er ist, desto weniger wird angerechnet. Die Spannbreite liegt dabei zwischen 25 – 60 Prozent.

Diese Summe wird geteilt durch das kalendertägliche Arbeitslosengeld und ergibt dann die Zeitspanne, in der das Arbeitslosengeld I nicht gezahlt wird.

Wichtig: In dieser Zeit ist der Arbeitslose gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V krankenversichert.

Da die Zahlung des Arbeitslosengeld I zeitlich nach hinten verlagert wird, beginnt sie nicht sofort mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sondern erst später. Dementsprechend endet sie auch erst später.

3. Unterschied zu Sperrzeit und Minderung

Vom Ruhen der ALG I Zahlungen zu unterscheiden ist die so genannte Sperrzeit.

Eine Sperrzeit wird angeordnet, weil der Arbeitnehmer sich „versicherungswidrig“ verhalten hat, § 159 SGB III.

In dieser Zeit, die unterschiedlich lang sein kann, wird kein Arbeitslosengeld I gezahlt.

Der häufigste Fall der Verhängung einer Sperrzeit ist, die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, wenn also der Arbeitnehmer „das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat“.

Dieser Fall tritt etwa ein, wenn der Arbeitnehmer gekündigt hat, einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat oder dem Arbeitgeber einen Grund für eine berechtigte ordentliche oder außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung gegeben hat.

Die Sperrzeit entfällt jedoch, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt.

So akzeptiert die Rechtsprechung etwa, dass der Arbeitnehmer aus privaten Gründen seinen Wohnort wechseln mußte oder daß der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt hat oder dass der Arbeitnehmer eine andere Arbeitsstelle fest in Aussicht hatte (was sich dann aber zerschlagen hat).

Im Einzelfall kann auch Mobbing am Arbeitsplatz als wichtiger Grund angesehen werden. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Was als „Mobbing“ zu bewerten ist und wann es anzunehmen ist, ist nicht einheitlich geregelt. Hier kommt es auf die Bewertung im Einzelfall an.

Wichtig: Die Sperrzeit läuft „kalendermäßig“ ab. Sie beginnt gemäß § 159 Abs. 2 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet.

Das bedeutet, dass etwa bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags die Sperrzeit bereits einen Tag nach Vertragsschluss beginnt. Der Beginn ist dabei unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer bereits Leistungen der Arbeitsagentur bezieht oder nicht.

Im Idealfall ist die Sperrzeit (maximal 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe) schon abgelaufen, wenn sich der Arbeitnehmer erstmalig bei der Arbeitsagentur meldet.

Eine Sperrzeit führt immer zu einer Minderung, § 148 SGB III.

Hierzu gibt es keine Ausnahmen. Die Höhe der Minderung kann hierbei beachtlich hoch ausfallen.

Gemäß § 148 Nr. 4 SGB III beträgt sie „die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht …“

Die Minderung beginn folglich im obigen Bespiel eines Aufhebungsvertrages nicht einen Tag nach Vertragsschluß, sondern erst an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer sich bei der Arbeitsagentur meldet.

Gerade für ältere Arbeitnehmer kann die Minderung zu empfindlichen Einbußen führen. Sie können nämlich gemäß § 147 SGB III eine reguläre Bezugsdauer von bis zu 24 Monaten haben.

§ 147 SGB III regelt insoweit: nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monaten  und nach Vollendung des … Lebensjahres  beträgt die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes … Monate
126
168
2010
2412
3050.15
3655.18
4858.24

Ein 58 jähriger Arbeitnehmer hätte mithin eine Bezugsdauer von bis zu 24 Monaten, bei Eigenkündigung entfallen davon aber nicht 12 Wochen, sondern sechs Monate (ein Viertel der Anspruchsdauer)!

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