100.000 € Schadenersatz wegen Kündigung des Aushilfsjobs

1. Einführung

Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München hat im Sommer 2025 für Schlagzeilen gesorgt: Ein Jurastudent, der als Aushilfskellner in einem Münchener Traditionswirtshaus tätig war, erhielt nach einer fristlosen Kündigung rund 100.000 € Schadensersatz, Anspruch auf 29 Wochen bezahlten Urlaub sowie eine schriftliche Entschuldigung des Arbeitgebers.
Der Fall verdeutlicht, wie stark das Arbeitsrecht auch Minijobber und Aushilfen schützt, insbesondere im Hinblick auf Betriebsratsgründungen, Annahmeverzug, Urlaubsansprüche und Diskriminierungsverbote.

 

2. Kündigung wegen Betriebsratsgründung unzulässig

Der Student hatte gemeinsam mit Kollegen die Gründung eines Betriebsrats initiiert. Daraufhin wurde er nicht mehr im Service eingesetzt, sondern sollte in die Küche versetzt werden. Als er dies ablehnte, folgte die fristlose Kündigung.

§ 20 Abs. 2 BetrVG verbietet jedoch jede Behinderung einer Betriebsratswahl.

Ein Verstoß hiergegen ist eine Schutzgesetzverletzung im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Das LAG sah in der Nichteinteilung zum Dienst eine vorsätzliche Benachteiligung wegen der Betriebsratsinitiative.

 

3. Annahmeverzug bei Aushilfen und Minijobbern

Ein weiterer zentraler Punkt war die Frage des Annahmeverzugs.

Nach § 615 BGB hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt.

Das BAG (Urteil v. 26.01.2011 – 5 AZR 819/09) entschied, dass bei flexiblen Arbeitszeiten bereits die Nicht-Einteilung zum Dienst genügt, um Annahmeverzug auszulösen – ein ausdrückliches Angebot des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.

Für den Studenten bedeutete das: Lohnnachzahlung für mehrere Jahre, berechnet nach dem Mindestlohn plus entgangener Trinkgelder und Sachbezüge.

 

4. Urlaubsanspruch bei Minijob und Nebenjob

Auch für Minijobber gilt: Sie haben Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub nach § 3 BUrlG.
Wichtig ist dabei die Hinweispflicht des Arbeitgebers:

Nach dem EuGH (Urteil v. 06.11.2018 – C-684/16) verfällt Urlaub nicht automatisch, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht ausdrücklich über den Urlaubsanspruch informiert.

Da der Student nie auf sein Recht hingewiesen wurde, sprach das LAG ihm 29 Wochen Urlaub zu.

Für Arbeitgeber bedeutet das: Urlaubsbelehrung ist Pflicht – auch bei Minijobbern!

 

5. Diskriminierung wegen Alter unzulässig

Die Arbeitgeberin hatte die Kündigung unter anderem mit dem „jugendlichen Alter“ des Studenten begründet. Dies wertete das Gericht als Diskriminierung nach §§ 1, 7 AGG.

Nach § 15 Abs. 2 AGG besteht Anspruch auf Entschädigung.

Der EuGH (Urteil v. 04.10.2024 – C-507/23) entschied, dass auch eine schriftliche Entschuldigung Teil des Schadensersatzes in Form von Naturalrestitution sein kann.

Die Folge: Die Brauereigaststätte musste sich schriftlich bei dem Studenten entschuldigen.

 

6. Geschäftsführerhaftung im Arbeitsrecht

Besonders bemerkenswert: Nach Insolvenz der GmbH wurde der Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht.

Der Grund: § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20 Abs. 2 BetrVG – vorsätzliche Verletzung eines Schutzgesetzes.

Eine Haftungsprivilegierung greift nicht, wenn der Geschäftsführer selbst aktiv die Kündigung veranlasst.

Damit zeigt der Fall: Geschäftsführer haften persönlich, wenn sie gegen fundamentale Arbeitnehmerrechte wie das Betriebsratsrecht verstoßen.

 

7. Praxishinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Für Arbeitgeber:

  • Keine Benachteiligung wegen Betriebsratsgründung – Verstöße sind teuer und können zur persönlichen Haftung führen.

  • Urlaubsansprüche immer schriftlich mitteilen – sonst drohen Nachzahlungen über Jahre.

  • Keine diskriminierenden Kündigungsbegründungen – auch beiläufige Hinweise auf Alter, Geschlecht oder Familienstand können Schadensersatz auslösen.

Für Arbeitnehmer:

  • Auch Minijobber haben Kündigungsschutz.

  • Urlaubsansprüche können sich über Jahre ansammeln, wenn der Arbeitgeber nicht belehrt.

  • Diskriminierung lohnt sich zu wehren – Gerichte können neben Geld auch eine Entschuldigung zusprechen.

8. Fazit

Das Urteil des LAG München zeigt: Arbeitsrecht gilt auch im Nebenjob vollumfänglich. Arbeitgeber riskieren bei Pflichtverletzungen nicht nur die Unwirksamkeit von Kündigungen, sondern auch hohe Schadensersatzforderungen und persönliche Haftung.
Für Arbeitnehmer ist das Urteil ein deutliches Signal, dass sich der Gang zum Arbeitsgericht auch in scheinbar kleinen Fällen lohnen kann.

 

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