Änderungskündigung im Arbeitsrecht – Voraussetzungen, Risiken und Handlungsmöglichkeiten

Die Änderungskündigung gehört zu den einschneidendsten Instrumenten im deutschen Arbeitsrecht. Sie erlaubt es dem Arbeitgeber, Arbeitsbedingungen einseitig zu verändern, ohne das Arbeitsverhältnis vollständig zu beenden. Für Arbeitnehmer bedeutet sie häufig Unsicherheit und die Gefahr einer deutlichen Verschlechterung der bisherigen Vertragslage. Gleichzeitig ist sie rechtlich hoch komplex und an strenge gesetzliche Anforderungen gebunden.

Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem das Kündigungsschutzgesetz, die formellen Vorgaben des § 623 BGB sowie die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Weil Veränderungsprozesse in Unternehmen zunehmen, wird die Änderungskündigung für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer immer relevanter.

Eine Änderungskündigung besteht rechtlich aus zwei Elementen, nämlich einer Beendigungskündigung und einem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Dieses System beruht auf § 2 Kündigungsschutzgesetz, der die sogenannte „Änderungskündigung“ ausdrücklich vorsieht und zugleich hohe Anforderungen an ihre soziale Rechtfertigung stellt. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer also nicht schlicht neue Bedingungen diktieren; vielmehr muss er nachweisen, dass die Änderung im Sinne des § 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse oder personen- oder verhaltensbedingte Gründe gerechtfertigt ist. Die Änderungskündigung ist stets das „mildere Mittel“ gegenüber einer vollständigen Beendigungskündigung. Das Bundesarbeitsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, etwa im Urteil vom 26. Januar 2017 (Az. 2 AZR 68/16), dass der Arbeitgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit prüfen muss, ob eine Änderungskündigung geeignet, erforderlich und angemessen ist und ob die angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen das mildeste ihm mögliche Mittel darstellen.

Die formellen Anforderungen dürfen nicht unterschätzt werden. Auch eine Änderungskündigung muss nach § 623 BGB schriftlich und mit eigenhändiger Unterschrift ausgesprochen werden. Elektronische Form ist ausgeschlossen. Zudem muss der Arbeitgeber das Änderungsangebot klar, eindeutig und vollständig formulieren. Die Rechtsprechung verlangt, dass der Arbeitnehmer anhand des Angebots erkennen kann, zu welchen neuen Bedingungen er künftig arbeiten soll. Ein unbestimmtes oder lückenhaftes Angebot führt regelmäßig zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Das Bundesarbeitsgericht hat dies im Urteil vom 15. Dezember 2005 (Az. 2 AZR 148/05) ausdrücklich hervorgehoben.

Arbeitnehmer haben nach Zugang einer Änderungskündigung drei Möglichkeiten zu reagieren. Sie können das Änderungsangebot vorbehaltlos annehmen und damit die neuen Bedingungen akzeptieren. Sie können das Angebot ablehnen, was die Änderungskündigung zu einer Beendigungskündigung macht. Oder sie können das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist. Dieser Vorbehalt ist in § 2 KSchG geregelt und muss innerhalb von drei Wochen erklärt werden. Wird der Vorbehalt erklärt, bleibt das Arbeitsverhältnis zunächst zu den geänderten Bedingungen bestehen, während das Gericht prüft, ob die Änderung sozial gerechtfertigt ist. Diese Möglichkeit gilt in der Praxis als das wichtigste Instrument des Arbeitnehmers, um einer einseitigen Verschlechterung nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.

Die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung wird nach denselben Grundsätzen geprüft wie die Wirksamkeit einer Beendigungskündigung. Bei betriebsbedingten Änderungskündigungen müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Häufige Beispiele sind Umstrukturierungen, Rationalisierungsmaßnahmen oder wirtschaftliche Schwierigkeiten. Es reicht dabei nicht, dass der Arbeitgeber organisatorische Änderungen plant. Vielmehr muss die Maßnahme tatsächlich nachvollziehbar, dauerhaft und dringend sein. Das Bundesarbeitsgericht betont in seinem Urteil vom 24. September 2015 (Az. 2 AZR 680/14), dass der Arbeitgeber eine unternehmerische Entscheidung nicht nur behaupten, sondern deren Umsetzung und Auswirkungen plausibel machen muss. Zudem muss er darlegen, warum mildere Maßnahmen wie Versetzungen, Umschulungen oder einvernehmliche Vertragsänderungen nicht ausreichen.

Innerhalb der personen- oder verhaltensbedingten Gründe kommt die Änderungskündigung vor allem infrage, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Arbeitsbedingungen aus rechtlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen kann. Allerdings gelten auch hier strenge Anforderungen. Bei personenbedingten Gründen muss der Arbeitgeber, bevor er eine Änderungskündigung ausspricht, prüfen, ob der Arbeitnehmer anderweitig im Betrieb einsetzbar ist. Bei verhaltensbedingten Änderungskündigungen kommt typischerweise die Anpassung einzelner Arbeitsbedingungen zur Vermeidung einer Kündigung in Betracht, etwa die Änderung der Arbeitszeit oder des Arbeitsortes.

Zudem unterliegt die Änderungskündigung einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der Arbeitgeber darf nur genau die Anpassungen vornehmen, die unbedingt erforderlich sind. Übermäßige oder nicht zwingend notwendige Vertragsänderungen führen zur Unwirksamkeit. Besonders häufig scheitern Arbeitgeber daran, dass sie dem Arbeitnehmer Änderungen anbieten, die über das tatsächlich Erforderliche hinausgehen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies  hervorgehoben und klargestellt, dass das Änderungsangebot „maßvoll und angemessen“ sein muss.

Im betrieblichen Alltag spielt das Verfahren nach § 102 BetrVG eine wichtige Rolle. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser vor jeder Änderungskündigung umfassend angehört werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für die geplante Änderung und die konkrete Ausgestaltung mitzuteilen. Unterbleibt die Anhörung oder ist sie fehlerhaft, ist die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam. Der Betriebsrat kann Bedenken äußern oder widersprechen, wobei der Widerspruch die Wirksamkeit der Kündigung nicht verhindert, aber zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers führen kann.

Praxisrelevant ist auch die Beteiligung von Schwangeren, schwerbehinderten Menschen oder Beschäftigten in Elternzeit. Bei diesen Personengruppen greifen besondere Kündigungsschutzvorschriften. So ist etwa eine Kündigung gegenüber Schwangeren nach § 17 MuSchG grundsätzlich unzulässig, eine Kündigung gegenüber schwerbehinderten Menschen bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts (§ 168 SGB IX). Auch eine Änderungskündigung ist eine Kündigung im arbeitsrechtlichen Sinne und unterliegt denselben Schutzvorschriften. Arbeitgeber müssen daher vor Ausspruch sorgfältig prüfen, ob besondere Kündigungsverbote oder Zustimmungserfordernisse bestehen.

In der Praxis zeigt sich häufig Unsicherheit darüber, ob eine Änderungskündigung dann möglich ist, wenn ein einvernehmliches Änderungsangebot nicht angenommen wird. Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, vor einer Änderungskündigung ein einvernehmliches Änderungsangebot zu unterbreiten, allerdings spricht die Rechtsprechung von einer Pflicht zur Prüfung milderer Mittel. Es wirkt sich stets positiv auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung aus, wenn der Arbeitgeber dokumentieren kann, dass alternative Lösungen geprüft wurden.

Besonders problematisch wird es, wenn der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausspricht, die auf eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinausläuft. Klassische Beispiele sind starke Gehaltsreduzierungen, Einschränkungen von Zulagen oder wesentliche Änderungen der Arbeitszeit. Hier stellen Gerichte besonders hohe Anforderungen an die soziale Rechtfertigung. Das Bundesarbeitsgericht hat betont, dass drastische Verschlechterungen nur bei existenziellen betrieblichen Gründen wirksam durchgesetzt werden können.

Ein anschauliches Beispiel aus der Praxis verdeutlicht die Problematik: Ein Arbeitgeber entscheidet sich aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die Vergütung aller Mitarbeiter um zehn Prozent zu senken. Er bietet den Arbeitnehmern entsprechende Vertragsänderungen an, die diese jedoch mehrheitlich ablehnen. Der Arbeitgeber spricht daraufhin Änderungskündigungen aus. In einem gerichtlichen Verfahren muss er darlegen, warum die Gehaltsreduzierung zwingend notwendig ist und warum keine alternativen Maßnahmen – etwa Kurzarbeit, Versetzungen oder organisatorische Einsparungen – ausreichen. In einer solchen Konstellation scheitern Änderungskündigungen häufig an der fehlenden Dringlichkeit oder an der mangelnden Verhältnismäßigkeit.

Arbeitnehmer sollten bei Erhalt einer Änderungskündigung stets prüfen, ob die Annahme unter Vorbehalt sinnvoll ist. Dies ermöglicht rechtliche Klärung, ohne die Beschäftigung zu gefährden. Für Arbeitgeber empfiehlt sich eine umfassende juristische Begleitung, um Formfehler und unverhältnismäßige Änderungen zu vermeiden. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Änderungsangebot, das sich streng auf das Notwendige beschränkt, erhöht die gerichtliche Bestandssicherheit erheblich.

Zum Abschluss sei betont, dass die Änderungskündigung kein Instrument für pauschale Anpassungen ist, sondern ein Ausnahmeinstrument, das nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen wirksam eingesetzt werden kann. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten bei Änderungskündigungen besonders sorgfältig handeln und die gesetzlichen Fristen im Blick behalten, insbesondere die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG, die auch für Änderungsschutzklagen gilt.

Am Ende sollte immer eine professionelle rechtliche Bewertung stehen, um unnötige Risiken zu vermeiden.

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