Arbeitgeber muss 46.000 EUR für Überstunden nachzahlen!

1. Einleitung

Mit Beschluss vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der  Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere bei Streitigkeiten um Überstundenvergütung. Der nachfolgende Fall zeigt eindrücklich, welche finanziellen Folgen die fehlende Dokumentation von Arbeitszeiten für Arbeitgeber haben kann.  

 

2. Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin war vom 01.04.2012 bis zum 31.08.2023 als Lageristin in einer Kfz-Werkstatt beschäftigt. Ihr Bruttogehalt betrug 1.600 Euro monatlich. Ihr Arbeitgeber zeichnete die Arbeitszeiten nicht auf. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Arbeitnehmerin eine Überstundenvergütung von etwa 50.000 Euro und berief sich auf eigene Kalendereinträge als Nachweis für ihre geleistete Mehrarbeit.  

 

3. Rechtliche Bewertung

 

3.1. Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden

In einem Überstundenprozess ist die Darlegungs- und Beweislast nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG gestaffelt:

  • Auf der ersten Stufe muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen,
    • dass er Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang erbracht hat, und
    • dass der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.04.2013 – 5 AZR 122/12).
  • Auf der zweiten Stufe ist es Sache des Arbeitgebers, konkret zu widerlegen, dass die Überstunden nicht geleistet oder nicht erforderlich waren (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).

 

3.2. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen

Das LAG Niedersachsen gab der Arbeitnehmerin überwiegend recht und sprach ihr eine Überstundenvergütung von über 46.000 Euro zu (LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.12.2024, Az. 4 SLa 52/24). Die entscheidenden Erwägungen:

  • Die Arbeitnehmerin konnte durch ihre Kalendereintragungen plausibel darlegen, dass sie regelmäßig mehr gearbeitet hatte als vertraglich vereinbart.
  • Die Arbeitszeiten stimmten im Wesentlichen mit den Betriebsöffnungszeiten überein.
  • Der Arbeitgeber konnte keine konkreten Gegenbeweise liefern, sondern argumentierte lediglich pauschal mit einem Auftragsrückgang im Jahr 2020. Das genügte nicht, um die Ansprüche der Arbeitnehmerin zu entkräften.

 

4. Konsequenzen für Arbeitgeber

Arbeitgeber sind gut beraten, die Dokumentation der Arbeitszeiten ernst zu nehmen. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ergibt sich nicht nur aus der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022, sondern auch aus den Vorgaben des Europarechts (EuGH, Urteil vom 14.05.2019 – C-55/18, „CCOO“).  

 

Praxis-Tipp:

  • Arbeitszeiterfassung einführen: Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass die Arbeitszeiten systematisch und nachvollziehbar dokumentiert werden.
  • Substantiiert widersprechen: In einem Überstundenprozess muss der Arbeitgeber konkret darlegen, welche Arbeitszeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und inwiefern diese tatsächlich abgeleistet wurden.
  • Vertragliche Regelungen prüfen: Eine vertragliche Klarstellung zur Vergütung von Überstunden kann Missverständnisse vermeiden.

 

5. Fazit

Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber sich nicht auf pauschale Behauptungen verlassen können, wenn Arbeitnehmer eine Überstundenvergütung einklagen. Ohne eine lückenlose Dokumentation wird das Risiko einer erheblichen Nachzahlung erheblich erhöht. Unternehmen sollten deshalb dringend die gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung umsetzen und ihre internen Prozesse anpassen, um solche Haftungsrisiken zu vermeiden.  

 

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