1. Einleitung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Nachtzuschlägen aufgehoben und dabei die Tarifautonomie betont. Das BAG hatte tariflich gebundene Arbeitgeber dazu verpflichtet, höhere Zuschläge zu zahlen, als im Tarifvertrag vorgesehen war. Das BVerfG hielt diese Vorgehensweise für unzulässig und rügte das BAG scharf.
2. Hintergrund des Falls
Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass eine Differenzierung der Zuschläge für Nachtarbeit sachlich nicht gerechtfertigt sei und deshalb ein höherer Zuschlag für alle betroffenen Arbeitnehmer gewährt werden müsse. Dabei ging es um folgende Regelungen in einem Tarifvertrag:
- Schichtarbeiter, die regelmäßig nachts arbeiten: 25 % Zuschlag zum Tarifgehalt
- Gelegentliche Nachtarbeiter: 50 % Zuschlag
Das BAG sah in dieser Differenzierung eine unzulässige Ungleichbehandlung und verpflichtete die Arbeitgeber, auch den Dauernachtarbeitern den höheren Zuschlag zu zahlen.
3. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht kassierte diese Entscheidung mit deutlichen Worten (BVerfG, Beschlüsse vom 22. November 2023, Az. 1 BvR 1109/21 und 1 BvR 1422/23). Die Begründung:
- Eingriff in die Tarifautonomie: Die Tarifvertragsparteien haben nach Art. 9 Abs. 3 GG das Recht, eigenständige Regelungen zur Vergütung zu treffen. Das BAG habe diesen Grundsatz missachtet.
- Fehlende Kompetenz des BAG: Das BAG hätte nicht eigenmächtig die Höhe der Zuschläge festsetzen dürfen.
- Vorrang der Tarifparteien: Selbst wenn eine tarifliche Regelung eine Ungleichbehandlung enthält, müsste eine Korrektur zunächst durch die Tarifvertragsparteien erfolgen.
4. Konsequenzen für die Praxis
a) Tarifgebundene Arbeitgeber
Unterliegt ein Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag, gilt dieser uneingeschränkt. Weder Arbeitgeber noch Gerichte dürfen eigenmächtig Änderungen vornehmen, sofern die Tarifregelung nicht gegen zwingendes Recht verstößt.
b) Arbeitgeber ohne Tarifbindung
Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber gelten folgende Grundsätze:
- Regelmäßige Nachtarbeit: 25 % Zuschlag (BAG, Urteil vom 10.11.2021, Az. 10 AZR 261/20)
- Dauernachtarbeit: 30 % Zuschlag (BAG, Urteil vom 10.11.2021, Az. 10 AZR 261/20)
- Reduzierung möglich:
- Wenn die Belastung nachts geringer ist (z. B. Bereitschaftszeiten oder einfachere Arbeiten) kann der Zuschlag reduziert werden (BAG, Urteil vom 09.12.2015, Az. 10 AZR 423/14).
- Gesetzlich vorgeschriebene Nachtarbeit kann zu einem reduzierten Zuschlag von bis zu 15 % führen, z. B. im Gesundheitswesen (BAG, Urteil vom 25.05.2022, Az. 10 AZR 230/19). Diese Ausnahme gilt nicht für Dauernachtarbeit.
5. Fazit
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine klare Ansage an das Bundesarbeitsgericht: Tarifautonomie ist ein Grundprinzip, das nicht von den Gerichten unterlaufen werden darf. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten ihre Nachtzuschlagsregelungen genau prüfen, insbesondere ob ein Tarifvertrag Anwendung findet oder nicht. Für nicht tarifgebundene Beschäftigungsverhältnisse gelten weiterhin die bisherigen Grundsätze des BAG zur Höhe der Zuschläge.
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