Entgeltfortzahlung rechtssicher klären!

Meldet sich ein Mitarbeiter mehrfach hintereinander krank, ist es wichtig zu wissen, wann die Entgeltfortzahlung endet. Denn wenn ein Arbeitnehmer immer wieder an der selben Krankheit erkrankt, entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur einmal. Aber wie kann der Arbeitgeber ermitteln, ob dies der Fall ist? Hierzu steht ihm das Instrument der Vorerkrankungsanfrage zur Verfügung.  

 

1. Grundlagen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Arbeitnehmer haben nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen, wenn sie infolge einer Krankheit arbeitsunfähig sind und ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis von mindestens vier Wochen besteht.  

 

2. Fortsetzungserkrankung oder neue Krankheit?

Eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer erneut wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig wird. In diesem Fall entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur, wenn:

  • Die vorherige Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit mindestens sechs Monate zurückliegt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG).
  • Seit dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit mindestens 12 Monate vergangen sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG).

 

Relevante Rechtsprechung:

  • BAG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – 5 AZR 505/18: Das Urteil bestätigt, dass eine neue Entgeltfortzahlungsfrist nur beginnt, wenn die genannten Zeiträume eingehalten wurden.
  • BAG, Urteil vom 10. Juli 1985 – 5 AZR 378/84: Das Urteil definiert den Begriff der „Fortsetzungserkrankung“ und setzt klare Anforderungen an die Nachweispflicht des Arbeitgebers.

 

3. Einheit des Verhinderungsfalls

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gilt das Prinzip der Einheit des Verhinderungsfalls. Danach entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann, wenn eine zweite Erkrankung nicht nahtlos an die erste anknüpft oder wenn die erste Erkrankung bereits abgeschlossen war.

 

BAG, Urteil vom 19. Februar 1997 – 5 AZR 83/96: Das Urteil legt fest, dass eine unmittelbar anschließende Erkrankung nur dann einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch begründen kann, wenn die vorherige Arbeitsunfähigkeit vollständig ausgeheilt war.  

 

4. Berechnung der 6-Wochen-Frist

Hat der Arbeitnehmer am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit noch gearbeitet, beginnt die Sechs-Wochen-Frist erst am nächsten Tag (BAG, Urteil vom 24. August 1972 – 5 AZR 410/71).

War der Arbeitnehmer bereits zu Beginn des Tages arbeitsunfähig, zählt dieser Tag mit in die Frist.

Auch arbeitsfreie Tage können eingerechnet werden, wenn das Entgelt nicht nach Stunden bemessen wird (BAG, Urteil vom 27. Februar 1985 – 5 AZR 180/83).

 

5. Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit und Wartezeit

Eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses kann dazu führen, dass eine neue Wartefrist entsteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwischen zwei Beschäftigungen kein enger sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang besteht (BAG, Urteil vom 7. November 1979 – 5 AZR 887/77).

  • Wird ein Auszubildender direkt nach der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen, beginnt keine neue Wartezeit.
  • Wird eine Aushilfe zweimal im Jahr neu eingestellt, beginnt die vierwöchige Wartefrist für die Entgeltfortzahlung jedes Mal von Neuem.

 

6. Vorerkrankungsanfrage bei der Krankenkasse

Arbeitgeber dürfen zur Klärung von Fortsetzungserkrankungen eine Vorerkrankungsanfrage bei der Krankenkasse stellen. Da ihnen keine Diagnosen des Arbeitnehmers bekannt sind, können sie so herausfinden, ob eine Anrechnung auf frühere Krankheitszeiten erfolgen muss.   Voraussetzungen der Vorerkrankungsanfrage:

  • Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liegt vor.
  • Der Arbeitnehmer war in den letzten sechs Monaten bereits wegen einer potenziell gleichen Krankheit arbeitsunfähig.
  • Die Gesamtdauer aller Erkrankungen beträgt mindestens 30 Tage.

Die Anfrage erfolgt elektronisch über das SV-Meldeportal mit dem Abgabegrund „41“ und wird von der Krankenkasse beantwortet.  

 

7. Verpflichtung zur Offenlegung der Krankheitsursachen

Bestehen trotz Krankenkassenrückmeldung fundierte Zweifel an der Unterscheidung zwischen Fortsetzungs- und Neuerkrankung, kann der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen verpflichtet werden, seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Dies gilt insbesondere für:

  • Privatversicherte Arbeitnehmer
  • Minijobber, für die es keine Vorerkrankungsanfrage gibt

 

Fazit:

Die Abgrenzung zwischen Fortsetzungs- und Neuerkrankung ist entscheidend für die Dauer der Entgeltfortzahlung. Arbeitgeber sollten sich auf rechtssichere Methoden wie die Vorerkrankungsanfrage stützen, um eine korrekte Beurteilung vorzunehmen. Dabei sind die gesetzlichen Vorgaben des EFZG sowie die aktuelle Rechtsprechung des BAG zu beachten, um Streitigkeiten zu vermeiden.  

 

Beratung und Vertretung

Im Arbeitssrecht kommt es mitunter auf Nuancen an.

Gern unterstütze ich Sie in allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen.

Es erwartet Sie:

  • Erreichbarkeit während sowie ausserhalb der Bürozeiten 
  • Höchste Priorität Ihres Anliegens
  • Sichere und vollständige Abwicklung auch über Telefon und E-Mail

Sie erreichen mich unter +49 6172-9819983 oder über das Kontaktformular meiner Website. Ich nehme mich Ihrer Angelegenheit umgehend an und berate Sie zielgerichtet.