Kürzung der Gewerbemiete bei staatlich angeordneter Geschäftsschließung auch ohne Existenzgefährdung des Mieters

In seinem Urteil vom 01.01.2021 hat das Kammergericht Berlin (8 U 1099/20) entschieden, dass der Mieter bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie die Gewerbemiete wegen Störung der Geschäftsgrundlage auf die Hälfte herabsetzen kann, selbst wenn der Mieter durch die Schließung nicht in seiner Existenz bedroht ist. Bei längeren Schließungen greift insoweit eine Vermutungsregel. 

Im streitgegenständlichen Fall hatte der Vermieter als Eigentümer einer als Spielhalle vermieteten Gewerbeeinheit im Wege einer Widerklage die Zahlung der hälftigen Gewerbemiete für die Monate April und Mai 2020 geltend gemacht. Der Mieter hatte diese nicht gezahlt mit der Begründung, er könne die Miete wegen der staatlich angeordneten Geschäftsschließung um 50% mindern.

Der 8. Zivilsenat des Kammergerichts entschied in diesem Fall, dass die Klägerin sich wegen der Schließungsanordnung des Landes Berlin auf die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB berufen könne. Der vertraglich vereinbarte Mietzins sei demnach um 50% zu reduzieren.

Der Mietzahlungsanspruch für die Monate April und Mai 2020 bestehe zwar grundsätzlich und sei auch nicht aufgrund des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 zu verneinen. Dieses Leistungsverweigerungsrecht gelte ohnehin nur bis zum 30.06.2020 und sei nicht auf Miet- und Pachtverträge anwendbar. 

Wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sie die Miete jedoch anzupassen im Falle einer vollständigen Schließung des Geschäftsbetriebes der Mieterin um 50 % zu reduzieren.

Zur Begründung führte das Kammergericht aus, dass es Teil der Geschäftsgrundlage eines Gewerbemietvertrages zwischen Vermieter und Mieterin von Geschäftsräumen sei, dass es nicht zu einer Pandemie komme, die mit einer Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen einhergehen werde.

In der Konsequenz seien das Auftreten der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der bei Vertragsabschluss für die Vertragslaufzeit vorausgesetzten Umstände. Damit verwirkliche sich das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage.

Die Klägerin hatte im vorliegenden Fall die Gewerberäume vor Beginn der Corona-Pandemie angemietet und habe in der Folge die Räume aufgrund der ergangenen staatlichen Vorschriften und Schließungs-Anordnungen nicht mehr in vertraglich vorgesehener Weise für ihr Gewerbe nutzen können. 

Es sei daher anzunehmen, dass die Vertragsparteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Maßnahmen vorhergesehen hätten. 

Hätten Vermieter und Mieterin die Corona-bedingten staatlichen Maßnahmen vorhergesehen, sei zu vermuten, dass sie für den Zeitraum einer zweimonatigen Zwangsschließung der Spielhalle eine Mietabsenkung vereinbart hätten.

Bei der Schließung des Mietobjektes aufgrund staatlicher Anordnung handle es sich ferner nicht um ein „normales“ Risiko der Verwendung des Mietobjekts, sondern um einen weitgehenden staatlichen Eingriff in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die eine Systemkrise und damit eine Störung der Geschäftsgrundlage sei. 

Es sei daher unbillig, das mit der Störung der Geschäftsgrundlage verbundene Risiko einer Vertragspartei allein zuzuweisen. 

Vielmehr sei die staatlich angeordnete Schließung aufgrund der Pandemie einen so tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit dar, dass die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen seien und die Miete daher bei vollständiger Betriebsuntersagung je nach Einzelfall um bis zu 50% zu reduzieren sei. 

Ob der Mieter im jeweils konkreten Fall durch die angeordnete Schließung in seiner Existenz gefährdet ist, müsse anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten nicht positiv festgestellt werden. Vielmehr seien die „unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen“ im Sinne der Rechtsprechung des BGH auch dann zu vermuten, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger andauere.

Die Rechtskraft dieses Urteils steht noch aus, der im Wege der Widerklage beklagte Vermieter kann dagegen Revision beim BGH innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils einlegen.

Quelle: Kammergericht Berlin, Pressemitteilung v. 16.04.2021

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