Die Haftung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Innen- und Außenverhältnis

Die Frage der Haftung im Arbeitsverhältnis stellt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen. Während Arbeitnehmer möglicherweise Schäden verursachen, stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie dafür haften müssen. Umgekehrt kann auch der Arbeitgeber gegenüber Dritten, insbesondere im Außenverhältnis, in die Verantwortung genommen werden. Der vorliegende Artikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen und erläutert anhand von Gesetzesvorschriften und relevanter Rechtsprechung die Haftung im Arbeitsverhältnis sowohl im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten.  

  1. Grundlagen der Haftung im Arbeitsrecht

Die Haftung im Arbeitsverhältnis richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere den §§ 276, 278, 823 BGB sowie den in diesem Rahmen in Bezug auf die Arbeitnehmerhaftung speziell entwickelten Grundsätzen. Besonders relevant sind zudem das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Besondere Relevanz erlangt im Arbeitsrecht das Prinzip der Haftungsmilderung für Arbeitnehmer, das in der Rechtsprechung entwickelt wurde, um dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen.  

  1. Haftung des Arbeitnehmers im Innenverhältnis

2.1 Gesetzliche Grundlagen

Die Haftung des Arbeitnehmers im Innenverhältnis, also gegenüber seinem Arbeitgeber, richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 276, 280 BGB, die die Grundsätze der Verschuldenshaftung festlegen. Die Arbeitnehmertätigkeit birgt jedoch besondere Risiken, weshalb der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) besondere Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung entwickelt haben. Diese wurden unter anderem im sogenannten „innerbetrieblichen Schadensausgleich“ zusammengefasst.

2.2 Der innerbetriebliche Schadensausgleich

Das Kernstück der Arbeitnehmerhaftung im Innenverhältnis ist der vom BAG entwickelte innerbetriebliche Schadensausgleich. Dieser besagt, dass die Haftung eines Arbeitnehmers begrenzt ist und von dessen Verschuldensgrad abhängt. Insoweit wird auch von eibem so genannten „haftungsprivilegierten Arbeitsverhältnis“ gesprochen. Es wird zwischen grober, mittlerer und leichter Fahrlässigkeit unterschieden.

  • Grobe Fahrlässigkeit: Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in vollem Umfang. Ein klassisches Beispiel ist das Fahren eines Dienstfahrzeugs unter Alkoholeinfluss. Hier greift die volle Haftung des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 5. Mai 1955 – 4 AZR 239/54).
  • Mittlere Fahrlässigkeit: Bei mittlerer Fahrlässigkeit erfolgt eine Haftungsverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ein typischer Fall ist die versehentliche Fehlbedienung einer Maschine, die zu einem Sachschaden führt. Die Haftungsquote wird dabei nach Billigkeitsgesichtspunkten festgelegt (BAG, Urteil vom 28. Oktober 1971 – 8 AZR 179/71).
  • Leichte Fahrlässigkeit: Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel nicht. Dies gilt beispielsweise, wenn der Schaden durch eine geringfügige Unachtsamkeit entsteht, die jedem Arbeitnehmer hätte passieren können (BAG, Urteil vom 29. November 1973 – 8 AZR 106/73).

Diese abgestufte Haftung trägt dem Umstand Rechnung, dass Arbeitnehmer aufgrund ihrer abhängigen Beschäftigung regelmäßig weniger Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben als selbstständige Unternehmer.

2.3 Mitverschulden des Arbeitgebers

Gemäß § 254 BGB ist bei der Haftung des Arbeitnehmers auch ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber unzureichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat oder den Arbeitnehmer unzureichend eingewiesen hat. Das Mitverschulden des Arbeitgebers führt zu einer entsprechenden Kürzung des Haftungsanteils des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 10. November 1977 – 8 AZR 538/76).

2.4 Haftungsausschluss durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen

In einigen Branchen und Tarifverträgen kann die Haftung des Arbeitnehmers durch entsprechende Klauseln weiter eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Betriebsvereinbarungen können ebenfalls Regelungen zur Haftungsbegrenzung enthalten, insbesondere für Schäden, die im Rahmen betrieblicher Tätigkeiten entstehen.  

  1. Die Haftung des Arbeitgebers im Innenverhältnis

3.1 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist gegenüber seinen Arbeitnehmern zu besonderer Fürsorge verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich aus § 618 BGB und umfasst die Verpflichtung, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer nicht gefährdet werden. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und erleidet der Arbeitnehmer dadurch einen Schaden, kann der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet sein (BAG, Urteil vom 19. Februar 1998 – 8 AZR 221/97).

3.2 Haftung für Arbeitsunfälle

Arbeitsunfälle, die im Betrieb geschehen, werden in der Regel durch die gesetzliche Unfallversicherung nach dem SGB VII abgedeckt. Der Arbeitgeber haftet hier nicht persönlich, es sei denn, es liegt Vorsatz vor (§ 104 SGB VII). Dies entlastet den Arbeitgeber von der Haftung für viele Arbeitsunfälle, die auf Fahrlässigkeit beruhen (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2000 – 9 AZR 648/99).

3.3 Rückforderung von Arbeitsentgelt

In besonderen Fällen kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zu viel gezahltes Arbeitsentgelt zurückfordern, etwa wenn dieses irrtümlich gezahlt wurde. Hier greifen die allgemeinen Rückforderungsansprüche aus § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung). Allerdings muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor ordnungsgemäß auf den Fehler hinweisen, bevor er Rückforderungen stellt (BAG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 5 AZR 527/99).  

  1. Haftung des Arbeitnehmers im Außenverhältnis

Im Außenverhältnis beschreibt die Haftung die Verantwortung gegenüber Dritten, also Personen, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehen. Insbesondere stellt sich hier die Frage, inwieweit der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer für Schäden verantwortlich gemacht werden kann, die Dritten gegenüber verursacht werden.  

4.1 Arbeitnehmerhaftung gegenüber Dritten

Grundsätzlich haftet der Arbeitnehmer nicht direkt gegenüber Dritten. Stattdessen trifft die Haftung primär den Arbeitgeber aufgrund des Grundsatzes des Handelns in Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 278 BGB). Der Arbeitgeber haftet im Außenverhältnis für Schäden, die der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten gegenüber Dritten verursacht. Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlichem Handeln des Arbeitnehmers. So haften Arbeitnehmer grundsätzlich auch gegenüber Dritten für Schäden, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verursachen, gemäß §§ 823 ff. BGB. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine deliktische Handlung begeht, etwa durch eine fahrlässige Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Allerdings greift auch hier der Gedanke des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, wenn die Haftung aus einer betrieblich veranlassten Tätigkeit resultiert (BAG, Urteil vom 12. Mai 1992 – 8 AZR 99/91).

4.2 Haftungsausschluss zugunsten des Arbeitgebers

Gemäß § 104 SGB VII ist die persönliche Haftung des Arbeitnehmers gegenüber einem geschädigten Dritten in bestimmten Fällen ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für Arbeitsunfälle, bei denen der geschädigte Dritte ein Kollege des Arbeitnehmers ist. In solchen Fällen tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein, und der Arbeitnehmer haftet nicht, es sei denn, er hat vorsätzlich gehandelt.

4.3 Regress des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann unter Umständen gegenüber dem Arbeitnehmer Regress nehmen, wenn er selbst aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers von einem Dritten in Anspruch genommen wurde. Auch hier gelten die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, sodass der Arbeitnehmer bei leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit nur anteilig haftet (BAG, Urteil vom 28. Oktober 1971 – 8 AZR 179/71).  

  1. Haftung des Arbeitgebers im Außenverhältnis

5.1 Haftung des Arbeitgebers für Arbeitnehmer

Der Arbeitgeber haftet grundsätzlich für Schäden, die seine Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Tätigkeit verursachen, gemäß § 831 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer als „Verrichtungsgehilfe“ des Arbeitgebers gehandelt hat und dieser den Arbeitnehmer nicht ausreichend überwacht oder ausgewählt hat. Diese Haftung kann jedoch ausgeschlossen werden, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass er seiner Auswahl- und Überwachungspflicht nachgekommen ist (BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 – III ZR 186/88).

5.2 Haftung bei unerlaubter Handlung

Neben der Haftung nach § 831 BGB kommt auch eine Haftung nach § 823 BGB in Betracht, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit eine unerlaubte Handlung begeht. Hier haftet der Arbeitgeber, sofern er diese Handlung selbst zu verantworten hat, etwa durch unzureichende Anweisungen oder die Duldung eines risikobehafteten Verhaltens (BGH, Urteil vom 14. Januar 1986 – VI ZR 103/85).

5.3 Produkthaftung und Haftung für fehlerhafte Produkte

Wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit ein fehlerhaftes Produkt herstellt oder vertreibt, kann der Arbeitgeber gemäß dem Produkthaftungsgesetz (§ 1 ProdHaftG) für die Schäden haften, die durch dieses Produkt verursacht werden. In solchen Fällen haftet der Arbeitgeber unabhängig von einem Verschulden (BGH, Urteil vom 9. Mai 2006 – VI ZR 225/05).  

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