Das Berliner Testament – Mehr Nach- als Vorteile der beliebten Testamentsform?

Das Berliner Testament gehört zu den bekanntesten und verbreitetsten Formen des gemeinschaftlichen Testaments in Deutschland. Ehepaare oder eingetragene Lebenspartner setzen sich dabei gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen oft, dass nach dem Tod beider Partner die gemeinsamen Kinder oder andere Dritte das verbleibende Vermögen erben sollen. Diese Form des Testaments hat viele Vorteile, aber auch erhebliche Nachteile, die es zu berücksichtigen gilt.

  1. Was ist das Berliner Testament

Das Berliner Testament ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments, das in den §§ 2265 bis 2273 BGB geregelt ist. Nach § 2269 BGB erben die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner in der Regel „wechselbezüglich“, d. h., dass die Verfügung des einen Ehegatten an die Verfügung des anderen gebunden ist. Der überlebende Partner wird zum Alleinerben des zuerst Versterbenden, und die gemeinsamen Kinder (oder Dritte) treten als Schlusserben erst nach dem Tod des zweiten Partners in die Erbfolge ein. Beispiel: Herr und Frau M. verfassen ein Berliner Testament. Sie setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein und ihre zwei Kinder als Schlusserben. Stirbt Herr M., erbt zunächst Frau M. alles, und erst nach ihrem Tod erben die Kinder das verbleibende Vermögen.

  1. Vorteile des Berliner Testaments

2.1. Absicherung des überlebenden Ehepartners

Der größte Vorteil des Berliner Testaments besteht in der umfassenden Absicherung des überlebenden Ehepartners. Dieser wird Alleinerbe und kann zunächst frei über das gesamte Vermögen verfügen, ohne unmittelbar Vermögen an die Kinder oder andere Erben abgeben zu müssen. Dies verhindert, dass der überlebende Ehepartner gezwungen ist, etwa das Familienheim zu verkaufen, um Pflichtteilsansprüche zu befriedigen.

2.2. Einfache Handhabung

Da das Berliner Testament in der Regel mit einem einzigen Dokument errichtet werden kann, ist es kostengünstig und relativ einfach zu erstellen. Es genügt, wenn beide Ehegatten das Testament gemeinsam verfassen und unterzeichnen (vgl. § 2267 BGB).

2.3. Vermeidung von Erbauseinandersetzungen

Durch die klare Regelung der Erbfolge kann das Berliner Testament spätere Streitigkeiten zwischen den Erben verhindern. Es wird genau festgelegt, wer nach dem Tod des zweiten Ehepartners erbt, was Auseinandersetzungen innerhalb der Familie minimiert.

  1. Nachteile des Berliner Testaments

3.1. Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen

Ein erheblicher Nachteil des Berliner Testaments ist die Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen. Zu Lebzeiten beider Ehegatten ist der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen gemäß § 2271 Abs. 1 BGB möglich. Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten kann der überlebende Ehegatte das Testament aber in der Regel nicht mehr einseitig ändern (vgl. § 2271 BGB). Das bedeutet, dass der überlebende Ehepartner an die ursprünglich getroffenen Verfügungen gebunden ist, auch wenn sich die Lebensumstände (z. B. durch Wiederheirat oder veränderte Beziehungen zu den Kindern) erheblich ändern. Die Rechtsprechung hat diesen Aspekt des Berliner Testaments konkretisiert. Der BGH entschied in mehreren Urteilen (u. a. Urteil vom 3. Februar 1993, Az. IV ZR 72/92), dass ein widerrufliches Berliner Testament nach dem Tod des Erstversterbenden nur noch in Ausnahmefällen geändert werden kann, und betonte die hohe Bedeutung der gegenseitigen Bindung der Ehegatten. Der überlebende Ehepartner könnte sich im Extremfall durch Ausschlagung der Erbschaft lösen, würde dadurch aber sämtliche Ansprüche verlieren.

3.2. Pflichtteilsansprüche der Kinder

Auch wenn die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Elternteils erben sollen, steht ihnen nach dem Tod des ersten Elternteils der Pflichtteil zu. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und kann insbesondere dann problematisch werden, wenn das Vermögen des erstversterbenden Ehepartners überwiegend aus Immobilien besteht. Der überlebende Ehepartner könnte gezwungen sein, Vermögenswerte zu veräußern, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen. Eine Möglichkeit, diesen Nachteil zu mindern, ist die sogenannte Pflichtteilsstrafklausel, durch die die Kinder davon abgehalten werden sollen, ihren Pflichtteil geltend zu machen, da sie ansonsten auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur ihren Pflichtteil erhalten.

3.3. Steuerliche Nachteile

Das Berliner Testament kann unter bestimmten Umständen auch steuerliche Nachteile haben. Während der Freibetrag für den Ehepartner (aktuell 500.000 Euro) hoch ist, gilt für Kinder ein Freibetrag von nur 400.000 Euro (je Kind). Bei größeren Vermögen können somit nach dem Tod des zweiten Ehepartners Erbschaftssteuern anfallen, die durch eine frühzeitige Vermögensübertragung an die Kinder oder eine andere Testamentsgestaltung hätten vermieden werden können.

  1. Fazit

Das Berliner Testament ist eine beliebte und einfache Möglichkeit, die Vermögensnachfolge innerhalb einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft zu regeln. Die Vorteile, insbesondere die Absicherung des überlebenden Ehepartners und die Vermeidung von Erbstreitigkeiten, sind jedoch mit erheblichen Nachteilen verbunden. Die steuerlichen Folgen und die starke Bindung an die wechselbezüglichen Verfügungen können zu unerwünschten Ergebnissen führen, wenn sich die familiären oder finanziellen Umstände ändern. Wer über die Errichtung eines Berliner Testaments nachdenkt, sollte sich daher eingehend rechtlich beraten lassen und die möglichen Alternativen – wie z. B. Erbverträge oder individuelle Testamentsgestaltungen – sorgfältig prüfen.  

Dieser Artikel wird regelmäßig auf Aktualität geprüft.

 

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