Neues BAG Urteil: Keine automatische Verjährung von Urlaubsansprüchen nach 3 Jahren!

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 20.12.2022 entschieden, dass nicht genommener Urlaub nicht automatisch nach drei Jahren verjährt (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.9 AZR 266/20). Das Gericht nimmt insoweit die Arbeitgeber stärker in die Pflicht.

Das BAG hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Regelverjährungszeit von drei Jahren nicht zu laufen beginnt, solange der Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern nicht seiner Hinweispflicht nachkommen ist und diesen über den konkreten Urlaubsanspruch sowie die Verfallfristen belehrt hat.

Im Ergebnis können Arbeitnehmer daher auch Ansprüche aus früheren Jahren geltend machen, wenn der Arbeitgeber dieser Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

1. Der Fall:

Eine Steuerfachangestellte forderte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zwischen 2013 und 2017. Sie begründete dieses „Versäumnis“ damit, dass der Arbeitsaufwand in dieser Zeit sehr hoch gewesen sei. Der Arbeitgeber hatte eine Abgeltung dieses Anspruchs verweigert, sodass die Arbeitnehmerin Klage erhob. Im ersten Rechtszug unterlag sie weitestgehend mit der Begründung, ihr Anspruch sei – mit Ausnahme von drei Tagen im Jahr 2017 – verjährt. (Arbeitsgericht Solingen, Urt. v. 19.02.2019, Az. 3 Ca 155/18). Im Berufungsverfahren gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Arbeitnehmerin Recht und nahm einen Abgeltungsanspruch weiterer 76 Tage an (LAG Düsseldorf, Urt. v. 02.02.2020, Az. 10 Sa 180/19. Hiergegen legte der Arbeitgeber Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Dieses setzte das Verfahren zunächst aus und legte und die Angelegenheit dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (Vorlagebeschluss v. 29.09.2020, Az. 9AZR 266/20 [A]).

Der EuGH entschied daraufhin in seiner Entscheidung vom 22.09.2022, dass nicht genommene Urlaubstage nicht automatisch verfallen, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nicht vorher seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist. (Rechtssache C-120/21).

Die Verjährungsfrist von drei Jahren aus §§ 194 Abs. 1, 195 BGB beginne erst dann zu laufen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seine (Rest-) Urlaubsansprüche und ihren drohenden Verfall hingewiesen hat. Zwar sei richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, wenn diese auf Ansprüche gestützt werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung schon vor mehr als drei Jahren entstanden seien. Hat der Arbeitgeber sich jedoch selbst in diese Situation gebracht, indem er den Arbeitnehmer im Voraus gar nicht erst in die Lage versetzt habe, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wahrnehmen zu können, sei Interesse jedoch dann nicht mehr berechtigt.

Diese Vorgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union setzte das BAG mit seinem Urteil vom 20.12.2022 um und entschied, dass Urlaubsansprüche nur dann verjähren können, wenn der Arbeitnehmer vorher auf seinen Urlaubsanspruch hingewiesen wurde.

Der zuständige neunte Senat führte hierzu aus, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub zwar grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung unterliege, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren jedoch bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres beginne, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt habe und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus eigener Entscheidung heraus nicht genommen habe.

Der Zweck der Verjährungsvorschriften, nämlich die Gewährleistung von Rechtssicherheit, trete nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im vorliegenden Fall hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, der die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von bezahlter Urlaubszeit schützt.

2. Das Fazit

Die jetzige Entscheidung des BAG stärkt die Rechte von Arbeitnehmern und macht deutlich, dass Mitwirkungsobliegenheiten nicht nur für den Verfall sondern auch für die Verjährung von Urlaubsansprüchen relevant werden können.

Arbeitgeber sind vor diesem Hintergrund angehalten, ihre internen Prozesse zu überprüfen, um die bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten bei Urlaubsansprüchen zu erfüllen. Dies bedeutet einerseits, arbeits- bzw. tarifvertraglich Ausschlussfristen zu regeln, andererseits aber auch den Arbeitnehmer hierüber in Kenntnis zu setzen.

Ob für Urlaubsabgeltungsansprüche das Gleiche wie für Urlaubsansprüche gilt, ist der gerichtlichen Pressemitteilung allerdings nicht zu entnehmen.

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